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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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übrigens die Geschichte mit der Haustür?“
    Pennäler nehmen für sich das Recht in
Anspruch, auf die Penne zu schimpfen und sie lächerlich zu machen. Aber sie
werden wild, wenn ein anderer sich untersteht.
    „Mein lieber Herr Knoll“, fuhr Hans
Pfeiffer hoch, „Sie haben da merkwürdige Ansichten. Das Gymnasium hat natürlich
mit Beruf und Brotarbeit nichts zu tun. In diese Tretmühle kommt man früh
genug. Ein Gymnasium ist keine Fortbildungsschule. Wenn es darum geht, schnell
ans Verdienen zu kommen, und wer den Menschen nur nach Brieftasche und
Bankkonto bewertet, der braucht allerdings kein Gymnasium. Der gehört auch gar
nicht dahin. Der wird auch nie begreifen, daß es noch andere Werte gibt, die
sich nicht in Mark und Pfennig ausdrücken lassen, geistiges Besitztum, das man
nicht kaufen, aber auch nie mehr verlieren kann. Das einen aus dem Dreck des
Alltags heraushebt, Erholung für gute Tage, und Trost und Zuflucht, wenn es einem mal dreckig geht. Sehen Sie, dafür gehen wir aufs
Gymnasium.“
    Seine Kameraden hatten offenen Mundes
zugehört. Wie altklug der Pfeiffer manchmal reden konnte! Fast wie Direktor
Knauer bei der Entlassungsfeier.
    Herr Knoll aber ließ sich nicht
abhalten und erzählte die Geschichte mit der Haustür, geriet in sein
Fahrwasser, öffnete die Witzkiste.
    Hans Pfeiffer wußte Bescheid. Reisende
wie dieser Knoll sind bedauernswerte Menschen. Sie sind viel unterwegs, hocken
in der Bahn und in den Gasthäusern beieinander, erleben nichts, langweilen
sich, wollen sich um jeden Preis unterhalten, rennen in Tingeltangels und Bumslokale,
schnappen Witze auf, erzählen die Witze weiter und halten sich schließlich
selbst für witzig oder gar humorvoll.
    Knoll fand in der Tat auch einen
aufmerksamen Zuhörer: Sich selbst. Die vier Pennäler fühlten sich nicht
glücklich dabei. Sie lachten pflichtschuldigst oder machten „Au!“, damit sie
nicht in den Verdacht gerieten, die Pointe nicht verstanden zu haben. Herr
Knoll war selig, nicht unterbrochen zu werden und keine Konkurrenz zu haben. Er
fühlte sich. Und so ging es weiter, ohne abzureißen. So oft das Gedächtnis
versagte, nahm er ein speckiges Notizbuch zu Hilfe und erzählte, was paradox
ist. Oder was der Unterschied ist.
    Hans wußte auch einen Unterschied:
    „Was ist der Unterschied zwischen einem
Nilpferd?“
    Das war zu hoch für Herrn Knoll. „Der
Unterschied zwischen einem Nilpferd und was?“
    „Weiter nichts. Der Unterschied
zwischen einem Nilpferd!“
    „- -„
    „Am Lande läuft es und im Wasser
schwimmt es, haha.“
    Herr Knoll
angelte immer mehr Unterschiede aus
seinem Notizbuch. Die Unterschiede standen den vier Primanern wie das Wasser an
der Kehle. Sie waren nahe daran, in den Unterschieden zu ertrinken. Hans konnte
nicht mehr.
    „Verzeihung, Herr Knoll, kennen Sie den
Unterschied zwischen einem guten Witz und einem schlechten?“
    „Nö.“
    „Das merkt man.“
    Herr Knoll hielt auch das für einen
Witz, lachte pflichtschuldigst und blätterte wiederum in seinem Notizbuch. Da
ging Rudi Knebel, der schon lange kochte, in die Offensive. Es war Notwehr.
    „Kennen Sie den Unterschied zwischen
drinnen und draußen?“
    Herr Knoll zog ein blödes Gesicht; dann
dämmerte es langsam in ihm. Er erhob sich, klappte die Hacken zusammen, nickte
mit dem Kinn eine kurze arrogante Verbeugung und zog Leine.
    „Das nennt man Flucht in die stramme
Haltung“, konstatierte Hans.
    Die Störung war behoben. Aber die
Stimmung war zum Teufel. Still tranken sie ihre Bierreste aus, gaben sich noch
einmal das Stichwort für das morgige Komplott und tippelten nach Hause.
     
    *
     
    Die erste Stunde war Turnen. Da die
Sonne schien, fand das Turnen auf dem Schulhof statt.
    Turnlehrer Schmidt bevorzugte Übungen,
die er nicht selbst vorzumachen brauchte. Tauziehen zum Beispiel konnte er
nicht vormachen.
    Infolgedessen gab es Tauziehen.
    Die Jungen strengten sich keineswegs
an. Es war beinahe so wie das Singen bei Fridolin. Nur nicht so laut.
    Der Zweck der Übung leuchtete ihnen
nicht ein. Warum sollten sie an dem Tau Kräfte entwickeln, die sich gegenseitig
auf heben? Denn das war eine alte Erfahrung: je stärker die eine Partei zog,
desto stärker zog die andere dagegen. Es war eine ausgesprochene
Kraftvergeudung.
    Turnlehrer Schmidt schimpfte. Aber es
half nichts. Schlapp wie eine Wäscheleine baumelte das Tau zwischen den beiden
Parteien.
    Plötzlich geschieht etwas. Plötzlich
fallen die Jungen in das Tau und ziehen, als gelte
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