Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
Vom Netzwerk:
den
schauerlichsten Farben. Aber das Ende vom Lied war immer, daß sie ihren großen
Tonkrug schamhaft unter die Schürze nahm und sich seufzend auf den Weg machte.
    Worüber schwatzen Primaner, wenn ihre
Herzen und Zungen durch einen gevierteilten Liter Bier und durch das Gefühl
überstandener Hausarbeit gelöst sind?
    Schwatzen sie ausschließlich von Schuldingen?
Das kann man nicht verlangen, obgleich die Schule der ungewollte Angelpunkt
ihres Redens und Denkens ist. Sie schwatzen vielmehr auch von anderen Sachen,
besonders aber von solchen, von denen sie am wenigsten verstehen. Da
unterscheiden sich Pennäler kein bißchen von anderen Menschen.
    Aus diesem Grunde reden sie auch gerne
von Politik. In ihrem unberührten Idealismus stellen sie sich die Welt vor als
eine Versammlung mehr oder weniger verkappter Engel und können gar nicht
begreifen, daß das dazugehörige Paradies immer noch nicht eröffnet worden ist.
Sie haben den festen Vorsatz, demnächst das Erforderliche zu veranlassen, und
bereiten sich darauf vor, indem sie rechtzeitig Muskeln und Stimmbänder
stählen.
    Natürlich reden sie auch von der Liebe.
Davon erst recht. Denn davon verstehen sie am allerwenigsten.
    Nur Hans Pfeiffer kommt da nicht recht
mit. Er hat sich ja sonst so ziemlich verpennälert; er bebt und zittert, wenn
er ein Schulbuch vergessen hat, und freut sich über eine gute Zensur und giftet
sich über eine schlechte. Und behauptet, sich nichts daraus zu machen. Er wird
von einem viertel Liter Dünnbier bereits beschwipst; er träumt, sofern
überhaupt, von Indianergefechten und blonden Hängezöpfen. Aber wenn seine
Kameraden bedeutend den Mund auftun und anfangen, von „Weibern“ zu reden — dann
kommt er nicht mit.
    „Ich sage euch, die Else Landsberg hat
mir gestern zugeplinkert! Mensch, die hat’s hinter den Ohren!“
    „Die? Die möchte ich nicht geschenkt.
Sieh dir mal der ihre Fesseln an. Das ist doch keine Rasse.“
    „Mit wem geht denn jetzt die Inge
Rosen? Hat die immer noch ihren Joachim?“
    „Der ist schön dumm, daß er hinter ihr
herläuft.“
    „Man muß die Frauenzimmer nur tüchtig
abfallen lassen, dann fressen sie aus der Hand.“
    „Überhaupt die ganzen Weiber! Ich
heirate nicht vor dem ersten Schlaganfall.“
    „Versteht ihr eigentlich, was die alle
an der Hella finden? Die mit ihrem Wasserstoffhaar!“
    „Verflixt noch mal, ich muß ja noch
Chemie machen! Der Schnauz hat sowieso einen Pick auf mich.“
    So war man wieder glücklich bei der
Schule angelangt.
    Übrigens versprach die morgige
Chemiestunde lustig zu werden. Sie kamen jetzt zur alkoholischen Gärung, und
seit Menschengedenken war es Brauch, daß Professor Crey hierzu eine Probe
seines selbstgefertigten Heidelbeerweins mitbrachte, um jeden Schüler einen
Schluck kosten zu lassen. Nur einen kleinen Schluck natürlich.
    Hans kichert verschmitzt. Er hatte
schon lange nichts mehr pekziert. Die Lichtschreiberei war in Vergessenheit
geraten. Er befand sich auf dem besten Weg zum Musterknaben. Es war wirklich
die höchste Zeit.
    Ein Liter Bier ist keine
Feuerzangenbowle. Der Plan, den die vier Jungen ausheckten, war demnach auch
bescheidener im Format. Und doch war das Johlen, Kreischen und Maulfechten und
überhaupt die Vorfreude über die zu erwartenden Genüsse derart heftig, daß
dadurch der Zimmernachbar des Dichters, Herr Knoll, angelockt wurde.
    Er klopfte, ward eingeladen und fragte,
ob er den jungen Herren etwas Gesellschaft leisten dürfe. Er sei ein großer
Freund echten Humors und werde sich eine Ehre daraus machen und so weiter.
    Pfeiffer kannte den echten Humor des
Herrn Knoll und hüstelte warnend. Doch die anderen kapierten nicht so schnell.
Und ehe es verhindert werden konnte, hatte der diensteifrige kleine Luck den
Gast bereits auf den Diwan komplimentiert.
    Ob Herr Knoll auch auf dem Gymnasium
gewesen sei, fragte er, nur um etwas zu fragen.
    „So seh ich aus! In Quarta habe ich
Schluß gemacht. Da hatte ich die Nase pleng. Sind Sie doch mal ehrlich, meine
Herren — was nützt Ihnen der ganze Zinnober? Sie lernen Sprachen, die kein Aas
mehr spricht. Sie pauken Mathematik und all das Zeug und wissen nicht, was
amerikanische Buchführung ist. Und Sie lesen im Schiller und Goethe und wie sie
alle heißen, und wenn Sie einen Kurszettel lesen sollen, sind Sie
aufgeschmissen. Mit diesem brotlosen Zimt verplempern Sie Ihre schönsten Jahre.
Wie ich so alt war wie Sie, da hatte ich schon meine erste Alimentenklage —
kennen Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher