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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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leise und
unauffällig wie möglich. Nicht auf den Schulhof, sondern auf die Straße,
vielleicht etwas die Ecke herum, und dann sollen sie tief atmen und ganz ruhig
bleiben. Oder sich irgendwo eine starke Tasse Kaffee geben lassen. — Zu diesem
Behufe erhielt Hans Pfeiffer, der am wenigsten angegriffen schien, ein
Fünfmarkstück.
    Und mit bewegten Worten bat er seine
lieben Primaner, sich recht gut zu erholen und nach der Pause, in der Stunde
beim Herrn Direktor, sich nichts merken zu lassen.
    Die Klasse gelobte es und torkelte
davon.
    Auf der Straße, um die Ecke herum,
wurde zunächst der Betriebsfonds von fünf Mark durch freiwillige Spenden auf
elf Mark fünfundsiebzig vergrößert. Diese Summe reichte aus, um einen zwar
etwas eiligen, aber intensiven Frühschoppen zu veranstalten. Und es ist gar
nicht ausgeschlossen, daß bei einigen der Mitwirkenden der gefälschte Schwips
bis zu einem gewissen Grade durch einen echten ersetzt wurde.
    Als nach der Pause Direktor Knauer in
die Oberprima einmarschierte, umfing ihn Totenstille. Eine Weile dachte er, er
habe sich verlaufen. Vor seinen Augen entrollte sich ein Bild menschlichen
Jammers. Da hingen seine stämmigen Primaner wie die Mehlsäcke zwischen den
Bänken. Einige schienen zu schlafen, andere glotzten ihn stumpfsinnig an oder
grinsten läppisch vor sich hin. Und keiner war aufgestanden. Keiner rührte
sich.
    Knauer vergegenwärtigte sich mit
Schrecken, daß in Indien durchschnittlich 315 490 Menschen an Cholera, 228 023
an Pest und rund fünf Millionen an Malaria, Influenza und Typhus hinweggerafft
werden.
    „Husemann, was ist los?“
    „Tralala.“
    „Um Himmels willen — habt ihr was
Schlechtes gegessen?“
    „Dideldum.“
    „Im Gegenteil.“
    „Wir haben was Gutes getrunken, Herr
Direktor. Hali und Hallo!“
    „Jawohl, Herr Direktor, wir haben was —
wir haben was — wir haben was getru—unken!“
    „Was habt ihr getrunken?“
    „Als gute Deutsche haben wir — hupp —
guten deutschen Wein — hupp — getrunken.“
    „Herr Direktor, darf ich mal raus?“
    „Meinetwegen. — Aber trotzdem will ich
wissen, wer euch den Wein gegeben hat.“
    „Herr Direktor, darf ich mal raus?“
    „Jawohl — also wer euch den Wein
gegeben hat?“
    „Den haben wir bei Professor Crey
trinken müssen. Oh, mir ist so schlecht. Darf ich raus?“ Allen war so schlecht.
Alle wollten raus. Ackermann, der mit den vielen Ehrenämtern, muß Herrn
Professor Crey holen.
    Crey saß im Konferenzzimmer und
korrigierte Hefte. Oder tat wenigstens so. In Wirklichkeit schwitzte er Blut.
    Er bringt die Literflasche mit
Heidelbeerwein mit und beteuert in einem fort: „Jeder nor einen wenzigen
Schlock.“ Und ob der Herr Direktor nicht einmal versuchen wolle?
    Der Herr Direktor wehrt mit beiden
Händen und wendet sich zur Klasse. „Ihr geht sofort nach Hause und legt euch zu
Bett. Es wird wohl nicht so schlimm werden. Soweit erforderlich, laßt ihr den
Arzt kommen; die Rechnungen könnt ihr an die Schule schicken.“
    Jetzt war es erreicht. Leise und hastig
schlichen die Bengels zur Tür hinaus, mit einem unheimlichen Gefühl im Nacken.
Erst auf der Straße, in respektvoller Entfernung von der Lehranstalt, ließ man
das Jubelgeheul vom Stapel.
    In ihrer Begeisterung merkten sie nicht
einmal, daß Hans Pfeiffer kehrtgemacht und sich wieder hinaufgeschlichen hatte.
Oben stand er vor der Klassentür und belauschte das Duett zwischen dem Direktor
und Schnauz. Keineswegs aus Schadenfreude oder aus literarischen Beweggründen.
Danach war ihm gar nicht zumute. Nein, das Gewissen klopfte ihm. Und es tat
recht daran.
    Hans Pfeiffer konnte nicht alles
verstehen. Er hörte nur, daß die Stimme von Professor Crey immer kleiner und
die des Direktors immer mächtiger wurde.
    „Herr Kollege, Sie haben meine
Oberprima vergiftet.“
    „Ich wollte nur die alkoholische Gärung
—“
    „Meine schöne Oberprima vergiftet!“
    „Jäder nor einen wenzigen Schlock!“
    „Jawohl, vergiftet sage ich. — Zunächst
erwarte ich Ihren schriftlichen Bericht, Herr Kollege. Das Weitere wird sich —“
    Da ist Hans Pfeiffer im Zimmer. Ihm ist
jetzt wirklich primanerhaft zumute. Primanerhaft bis auf die Knochen. Er
braucht nicht mehr zu schauspielern. Er hat unendliches Mitleid mit dem armen
Schnauz und ist fast dem Heulen nahe. „Pfeiffer, was suchen Sie hier?“
    „Ich wollte um Verzeihung bitten.“
    „Wieso um Verzeihung?“
    „Ja, und da sind auch die fünf Mark
wieder.“
    „Welche fünf
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