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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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hier diese Tändelei
aber hatte der kleine, harmlose Primaner in Babenberg. Das gehört zum Primaner
genau so wie die Schülermütze oder die Vier in der Algebra.
    So war alles in Ordnung.
     
    *
     
    Über das Schild wuchs langsam Gras. Nur
Direktor Knauer hatte es noch nicht verwunden. In ihm pochte immer noch das
pädagogische Gewissen, daß eine solche Freveltat ohne
Sühne geblieben war. Gewiß kam es häufig vor, daß der Täter einer Flegelei
nicht ausfindig zu machen war; im Vertrauen gesagt, es war sogar die Regel.
Aber immerhin wurde doch in solchen Fällen durch eine umfangreiche Untersuchung
die pädagogische Mißbilligung dokumentiert. Hier aber war nichts geschehen. Und
wer bürgte ihm dafür, daß der Übeltäter dies nicht geradezu als einen Ansporn
zu weiterer Tätigkeit empfinden würde?
    Als er eines Morgens darüber nachdachte
— es war wiederum herrliches Sommerwetter — fiel ihm abermals die beklemmende
Ruhe im Gebäude auf. Seine Taschenuhr zeigte 8 Uhr 15, die Turmuhr ebenfalls.
Schon ist er aufgesprungen, rast durch die Gänge: Leer. Die Klassenzimmer:
Leer. Das Lehrerzimmer: Leer.
    Natürlich! Aber daß auch seine Lehrer
zum zweiten Male darauf hereinfielen!
    Schon ist er am Telephon.
    Zunächst Professor Crey.
    Der versteht nicht recht. Der Direktor
poltert los. Crey verbittet sich das „ohnverständliche Benähmen“. Knauer ranzt
ihn an. Crey ranzt zurück. Und schon liegen sich beide Pädagogen telephonisch
in der Wolle. Schreien sich an, daß die Drähte heiß werden.
    Bis der beleidigte Direktor den Hörer
auf den Bügel knallt.
    Fridolin hat kein Telephon.
    Brett macht eine Tagestour.
    Bommel schläft noch. Er wird aus dem
Bett geholt. Inzwischen ist bei Knauer Weißglut eingetreten.
    Aber bei Bommel kam er an den
Richtigen.
    „Sie wollen mich für der Jeck halten,
Herr Direktor? Jehen Sie mal nett wieder in de Heia.“
    Hängt ein.
    Das Gebrüll hatte Eva herbeigelockt.
    „Was ist denn los, Papa? Und so am
heiligen Sonntag!“
    „Wieso Sonntag? Ist denn heute —“
    „Ja sicher.“
    „Wieso ist heute Sonntag? — Natürlich
ist heute Sonntag. Brauchst du mir nicht zu sagen. — Immer alles dieser
Flegel!“
     
    *
     
    Man muß nicht denken, daß dem Hans
Pfeiffer an diesem Vormittag die Ohren geklungen hätten. Das hatten sich seine
Ohren längst abgewöhnt. Außerdem hatte er auch gerade etwas Wichtigeres zu tun.
    Er saß mit seinen Getreuen — Rudi
Knebel, Ernst Husemann und dem kleinen Luck — auf seiner Bude und braute
„Chartreuse grün“. Aber nicht nach dem Rezept der schweigsamen Mönche. Husemann
hatte sich aus dem Chemiesaal reinen Weingeist „besorgt“. Rudi Knebel brachte
aus dem väterlichen Laden eine patentierte Essenz mit. Hans Pfeiffer stiftete
den Zucker aus den Vorräten seiner Wirtin. Der kleine Luck durfte zuschauen.
    Frau Windscheid war nicht gerade erbaut
davon, daß man ihr mit vier Mann hoch in die Küche einrückte, ihren Herd zum
Klären des Zuckers und ihren Milchtopf zum Mischen einer giftgrünen Flüssigkeit
mißbrauchte. Aber sie brachte es andererseits auch nicht übers Herz, „die
Kinder beim Spielen zu stören“. Nur probieren wollte sie nicht; lieber wollte
sie sterben.
    Dabei war die erzeugte Chartreuse grün
keineswegs direkt lebensgefährlich. Man konnte es nicht abwarten und trank die
smaragdgrüne Flüssigkeit noch warm. Auch der alkoholfeindliche Luck leckte
daran und wollte mehr.
    Der Weingeist aus dem Chemiesaal fand
schnell seinen Weg in die Köpfe der Jungen und verübte dort seine Rache. Auch
Hans Pfeiffer war dem warmen Patentlikör nicht gewachsen.
    Womit nicht gesagt sein soll, daß die
Fidelitas darunter gelitten hätte. Im Gegenteil. Es wurde äußerst gemütlich.
Zunächst zogen sie sich gegenseitig mit ihren mehr oder weniger angedichteten
Liebschaften auf. Dem Husemann konnte man nicht viel nachsagen, er war zu
bequem. Der trieb sich lieber am Fluß herum. Rudi Knebel war dafür um so
eifriger und zeichnete sich durch eine besondere Vielseitigkeit aus. Hans
konnte nicht verhindern, mit Eva in eine Beziehung gebracht zu werden, die über
die Wirklichkeit weit hinausschoß. Der kleine Luck aber, jenseits allen
Verdachtes, entwickelte seine neue Theorie über Vielweiberei; er spaltete die
eine einzige Lotte in einen Harem. Wer warmen Likör getrunken hat, besitzt ein
Recht dazu.
    Mit Hilfe der grünen Chartreuse stieg
die Stimmung schnell auf Blau. Sie sprachen alle vier gleichzeitig und
verstanden sich herrlich.

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