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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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Kastellan Kliemke von
Klasse zu Klasse und richtete aus: Der Herr Direktor lasse um zehn Uhr zur
Konferenz bitten.
    Etwas Furchtbares mußte geschehen sein.
    In der Zehnuhrpause nahm der kleine
Luck seinen Freund Pfeiffer beiseite. Er war noch bleicher als sonst und
bibberte vor Erregung.
    „Hans, merkst du nichts?“
    „Nö.“
    „Du — heute habe ich meinen großen
Tag.“
    „Was ist denn los?“
    „Hans —, noch zehn Minuten, dann
spricht die ganze Schule von mir. Die ganze Stadt.“
    „Aber Luck!“
    „Du hast doch das Schild gesehen
gestern?“
    „Klar.“
    „Ist dir nichts aufgefallen?“
    „Ne.“
    „Hans — das Schild ist von mir.“
    „Du bist verrückt.“
    „Ja, Hans. Das ist von mir.“
    „Um Gottes willen, Mensch, wenn das
rauskommt!“
    „Aber, Hans, es soll ja rauskommen!
Gleich nach der Pause melde ich mich beim Schnauz. Ich kann’s kaum erwarten.
Stell dir bloß den Klamauk vor. Jetzt sollen sie endlich erfahren, wer ich bin.
Acht Jahre haben sie mich als Musterknaben verschlissen. Acht Jahre lang haben
sie mich geduckt und verulkt und gepiesackt. Jetzt will ich ihnen mal zeigen,
was ein Musterknabe ist. Du mit deinem Heidelbeerwein hast es fertig gebracht,
die Oberprima für zwei Stunden nach Hause zu schicken. Aber ich, ich habe die
Schule für einen ganzen Tag nach Hause geschickt. Und sämtliche Lehrer dazu.
Überleg mal, was das heißt. Ich, der kleine Luck!“
    „Menschenskind, das kann dir Hals und Bein
brechen. Halt doch wenigstens den Schnabel!“
    „Ich denke gar nicht daran. Das ist mir
alles schnurzegal. Mit meiner Mutter habe ich schon gesprochen. Die Hauptsache
ist, jetzt bin ich der große Mann. Lotte wird natürlich auch davon hören. Oder
im Anzeiger lesen. — Ob sie dann auch noch weggucken wird, wenn ich
vorbeikomme?“
    Währenddessen fand im Konferenzzimmer
eine feierliche Sitzung statt. An dem langen grünen Tische hatte sich das
gesamte Lehrerkollegium versammelt. In der Mitte der Direktor, kenntlich durch
eine höhere Stuhllehne und die blaue Mappe. Das ominöse Schild wurde
herumgereicht und mit und ohne Zwicker betrachtet. Inzwischen schilderte
Direktor Knauer in bewegten Worten die Missetat. Er erzählte, wie ihm bereits
kurz nach acht Uhr die verdächtige Ruhe im Gebäude aufgefallen sei. Wie er dann
besorgten Herzens durch die Gänge und Klassen geeilt sei und ihm überall leere
Bänke entgegengähnten. Wie er dann zum Lehrerzimmer stürzte, dort denselben
Zustand fand und schließlich erschöpft in einen Stuhl fiel und an Schulstreik
und Revolution dachte. Bis ihm dann Kliemke, verstohlen grinsend, das
verteufelte Schild überbrachte.
    Alle gutgesinnten Lehrer hörten den
Bericht erschüttert an und kochten vor Empörung. Professor Crey an der Spitze.
Die anderen nach Rang und Dienstalter abgestuft. Sogar Dr. Brett riß sich
zusammen und verbiß sich das Lachen. Nur Bommel benahm sich wie immer daneben,
schlug sich auf die Schenkel und gluckste.
    Zunächst wurde beschlossen, daß etwas
zu geschehen habe. In diesem Punkte war man durchaus einig.
    Was zu geschehen habe: Darüber gingen
allerdings die Meinungen auseinander. Crey erblickte in der Anfertigung des
Schildes eine ausgewachsene Urkundenfälschung; er will die Kriminalpolizei
alarmiert wissen. Dr. Brett schlägt statt der Kriminalpolizei die Feuerwehr
vor. Crey wittert Hohn und wird böse. Direktor Knauer muß einschreiten und die
Kampfhähne trennen. Müller 2 ist für Ernennung eines dreigliedrigen
Untersuchungsausschusses. Fridolin erklärt, sich der Ansicht des Herrn
Direktors anzuschließen. Der Direktor hat noch keine eigene Ansicht geäußert;
er hat auch nicht die Absicht.
    Bommel wurde beinahe übergangen. Er
pflegt sich nicht vorzudrängen. Aber da man ihn anstandshalber wegen der
unerhörten Bedeutung des Falles doch fragen muß, läßt er sich los: „Mer wolle
uns nix weismache. Wenn dat erauskömp, dann sin mir blamiert bis auf de Knoche.
Un de Stadt hält sich der Bauch vor Lache. — Am beste is: Mer sage nix! Un da
stelle mer uns janz dumm. Und da tun mer so, als hätte mer tatsächlich baulich
verändert. Mer könne ja en alde Leiter auf de Trepp leje.“
    Die Antwort war eine einstimmige
Entrüstung.
    Aber langsam siegte Bömmels gesunder
Menschenverstand. Außerdem hatte jeder der Herren die feste Überzeugung, daß
der Missetäter in seiner Klasse zu finden wäre; und das will man doch nicht
gern wissen. Für Direktor Knauer aber war entscheidend, daß er auf diese

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