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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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Schnapsgläser fielen um; das Algebrabuch wurde
giftgrün und roch wie der Friseurladen von Meister Purz. Husemann und Knebel
produzierten einen grotesken Ringkampf und wälzten sich quakend und quietschend
auf dem Fußboden. Dazwischen deklamierte der kleine Luck die edelsten Strophen
von Stefan George.
    Dann bekam Hans Pfeiffer das Bedürfnis,
seine schauspielerischen Talente zu produzieren. Er verschwand einen Augenblick
und kam als Frau Windscheid wieder. Er war in ihr blau und weiß kariertes
Hauskleid geschlüpft, hatte die fehlenden Rundungen durch einige Sofakissen
ersetzt, ihren Sonntagshut aufgestülpt und sich mit dem Farbkasten
Apfelbäckchen angemalt. In dieser Maskerade hielt er der Korona eine
erschütternde Standpauke über Alkohol und schlechten Umgang.
    Es muß sehr komisch gewesen sein. Der
Herr Knoll nebenan, der sich gerade die Krawatte umband, hörte das wiehernde
Gelächter und war überzeugt, daß dort wieder Unterschiede erzählt würden. Er
kam aber nicht herbeigeeilt.
    Statt dessen kam Frau Windscheid herein.
Sie war wirklich sehr böse, als sie ihr lebendes Konterfei erblickte. Nicht
wegen des Mißbrauchs ihrer Kleidungsstücke, sondern aus verletzter Eitelkeit.
„So was tat der Meine nie.“
    Übrigens sei draußen eine Dame für
Hans.
    „Wieso Dame?“
    „Herein mit die Dame“, schrie Knebel,
noch ganz Ringkampf.
    „Warum nur eine? Bitte vier Stück.
Frauen haben nur im Plural Daseinsberechtigung“, erklärte der kleine Luck.
    „Ich glaube, es ist die Mutter von
Herrn Hans. Die Dame dort auf der Photographie.“
    „Ach du meine Güte!“
    Da stand sie auch schon im Zimmer.
Marion Eisenschmidt. Hans Pfeiffers Braut. Im graugrünen Reisekleid, handgewebt
und Mode von übermorgen, mit dem undurchdringlichen Gesicht und überlegenen
Lächeln, genau so wie sie Hans aus Berlin gewöhnt war. Da stand sie unbeweglich
im Kreis der jungen Leute und ließ ihren kühlen Blick von dem einen zum anderen
wandern. Husemann erhob sich schwerfällig vom Boden. Hans Pfeiffer hört mit
„Frau Windscheid“ auf, und Stefan George starb dem kleinen Luck unter der Hand.
    Hans riß sich zusammen. „Du? Das ist ja
entzückend. Darf ich vorstellen? Fräulein Eisenschmidt, meine — Tante; Ernst
Husemann, mein Banknachbar; Rudi Knebel, ein Meter siebenundvierzig; Herr
Wolfgang Luck, Spezialist für Polygamie und verwandte Gebiete.“
    „Ach, die Tante Eisenschmidt! Hurra,
die Tante Eisenschmidt!“ schrie Rudi Knebel, der die Situation noch nicht
erfaßte. „Die schmiedeeiserne Tante soll leben — hoch!“
    Da machte Hans ein Ende, spediert seine
Kameraden an die frische Luft — und ist mit seiner Braut allein.
    Jetzt muß er etwas sagen.
    „Nett, daß du gekommen bist.“
    „So?“
    „Wollen wir nicht Platz nehmen?“
    „Danke.“
    „Darf ich dir ein Glas Likör anbieten?
    Chartreuse grün.“
    „Danke.“
    „Nett, daß du gekommen bist.“
    „Das sagst du jetzt zum drittenmal.“
    „Nein, zum zweitenmal.“
    „Zum dritten! — Du bist übrigens in
reizender Gesellschaft.“
    „Och ja, wir machten gerade
Schularbeit.“
    „Das sieht man.“ Ihr Blick lief von der
smaragdgrünen Flasche über die umgefallenen Stühle an Hans Pfeiffers
blaukariertem Kleid empor. Jetzt merkte er, daß er noch die Frau Windscheid
anhatte. Er zerrte sich die weiblichen Reize aus den vier Himmelsrichtungen
heraus, stieg aus dem Kleid und hörte wie aus der Ferne die Ansprache seiner
Vorgesetzten Braut.
    „Kann man mit dir jetzt vernünftig
reden? Oder bist du —“
    „Nein, ich bin nicht.“
    „Du merkst wohl gar nicht, wie
lächerlich das alles ist. Wie kann nur ein erwachsener Mensch Freude an solchen
Kindereien haben! Bist du schon so weit vertrottelt? Gott, man braucht ja nur
dein Gesicht zu sehen. Du siehst schon richtig aus wie ein Primaner — man
möchte fast sagen Sekundaner.“
    „Das habe ich auch schon gemerkt, ich
werde immer jünger. Zu Weihnachten kannst du mir Karl May schenken, und im
nächsten Frühjahr glaube ich wieder an den Klapperstorch ,“
    „Laß die Witze. — Zunächst eine Frage:
Wie lange gedenkst du noch hierzubleiben?“
    „Ostern mache ich Abitur. Vielleicht
falle ich auch durch, wegen Deutsch.“
    „Wenn du ein Mensch von Geschmack und
Kultur wärst, würdest du es keine drei Tage aushalten in diesem verschlafenen,
muffigen Nest.“ Jetzt wurde Hans böse. Auf Babenberg ließ er nichts kommen.
    „Du nennst muffig, was nicht nach
Asphalt riecht, und verschlafen, was

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