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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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nicht gepeitscht ist. Ich finde es
herrlich hier. Außerdem mache ich hier Studien.“
    „Wenn du ein Gymnasium sehen wolltest,
das hätte dir Dr. Brandt in Berlin zeigen können; er hätte dich auch unter
irgendeinem Vorwand mal in eine Stunde mitgenommen. Dazu brauchst du dich nicht
monatelang als nachgemachter Primaner hier herumzuflegeln.“
    „Flegeln stimmt. Aber es bekommt mir
prächtig. Ich habe schon acht Pfund zugenommen.“
    „Zur Erholung fährt man nach Westerland
oder Garmisch. Da kannst du mich auch mitnehmen und bist unter Menschen. In was
für einer Gesellschaft bist du hier? Das waren wohl eben deine Freunde, diese
Jünglinge, vor deren Belästigungen du mich kaum hast schützen können. Und du
kommst dir natürlich sehr großartig vor, daß sie dich als ihren Räuberhauptmann
anerkennen. Du bist allerdings sehr — sehr anspruchslos geworden.“
    „Liebe Marion, dir fehlt der Sinn für
Romantik.“
    „Schöne Räuberromantik. Du fühlst dich
wohl als so eine Art Hauptmann von Köpenick. Mein Lieber, du irrst dich. Der
wollte nach oben, du degradierst dich. Und er riskierte etwas; du aber — „
    „Das ist gerade das Elegante an der
Sache, daß mir gar nichts passieren kann.“
    „Nette Eleganz. Man muß nur sehen, wo
du hier vegetierst. Dieser Kasten da soll wohl dein Bett sein? Am Ende hast du
nicht mal ein Badezimmer.“
    „Dafür ist der Fluß.“
    „Lieber Hans, und jetzt mal etwas
anderes: Die Akademie der Künste wartet auf deinen Vortrag. Kommerzienrat von
Kayser hat uns zu einer Autofahrt nach Dalmatien eingeladen. Ernemanns sind
untröstlich, wenn du nicht zu ihrem Gartenfest kommst; mein Kostüm habe ich
schon entworfen.“
    Hans Pfeiffer blickte ins Leere.
Merkwürdig, wie fern, wie fremd ihm alles das jetzt vorkam. War er früher in
Berlin? Er versuchte, sich seine Junggesellenwohnung vorzustellen, sein
Arbeitszimmer mit dem lederbeschlagenen Schreibtisch und der kostbaren Bibliothek,
die die Wände verdeckte, sein Musikzimmer mit dem melancholischen Blüthner,
seine Bilder, Mappen, Bronzen, Terrakotten. Alles jetzt zugedeckt, verdunkelt
und verriegelt.
    Inzwischen war Marion zu Teil 3 ihres
Vortrages gekommen.
    „Und schließlich, was wird mit mir?
Hast du darüber schon einmal nachgedacht? Jeder fragt mich nach dir, macht
dumme Bemerkungen. Ich bin es leid, mich überall mit meinem ausgerissenen
Bräutigam aufziehen zu lassen. Dafür habe ich mich nicht mit dir verlobt, mein
Lieber. Bei Dumonts wurde schon erzählt, mit uns sei es aus, und Dr. Ullrich
fängt wieder an, mir nachzusteigen. Ich denke nicht daran, auch nur einen Tag
länger die versetzte Braut zu spielen. Hast du mich verstanden?“
    Hans Pfeiffer hatte durchaus
verstanden. Sie hatte ja laut genug gesprochen. Sie kam jetzt zum Schluß und
stellte ihr Ultimatum:
    »Ich fahre in einer Stunde wieder ab.
Keine Minute länger bleibe ich in diesem Kaff. Die Sache hier widert mich an.
Und nun mußt du dich entscheiden: Wenn du morgen abend nicht wieder in Berlin
bist, ziehe ich meine Konsequenzen. Du wirst hier wohl noch einiges zu ordnen
haben; heute abend packst du deine Koffer — oder —“
     
    *
     
    Als es Abend war, packte Hans Pfeiffer
seine Koffer. Er hatte das alles eingesehen, was Marion ihm sagte. Einmal mußte
er ja doch zurück. Sie hatte ihm auch alles verleidet, entzaubert; er verstand
gar nicht, wie er sich dabei hatte wohlfühlen können.
    Aber eine unendliche Traurigkeit hatte
sich über ihn gelegt. Er wollte Frau Windscheid ein paar Worte sagen. Sie war
so lieb und hilfreich und besorgte das Einpacken genau mit derselben Sorgfalt
wie damals das Auspacken. Aber er brachte kein Wort heraus.
    Nicht so Frau Windscheid. Sie jammerte
in einem fort, ohne sich dadurch in ihrer Arbeit unterbrechen zu lassen:
    „Nein, so was! Gott, wer hätte das
gedacht! Und so plötzlich! — Gewiß, der Herr Hans hat es manchmal ein bißchen
arg getrieben, aber so schlimm war es doch nicht. Die Frau Mutter ist wirklich
gar zu streng. Nein, so was!“
    Am nächsten Morgen nahm Hans seine
Henkersmahlzeit ein: Kakao, Spiegeleier mit Bratkartoffeln, alles in wie immer
lächerlichen Mengen aufgetragen. Aber er hatte keinen Primanerappetit mehr. Und
da war auch keine Schulmappe, die auf ihn wartete, keine griechischen Vokabeln,
die er noch schnell überfliegen mußte. Und auch die Schinkenbrote, die Frau
Windscheid herrichtete, waren nicht für die Zehnuhrpause.
    Dann war es soweit. Er nahm das
Köfferchen in die Hand —

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