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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Sattel war ein gerollter Schlafsack aufgeschnallt. Darin steckten: ein Pyjama, zwei Hemden, zwei Paar Socken, Toilettenzeug... Man war mit neunundfünfzig Jahren bereit, es den Legionären gleichzutun...
    Gott sei Dank setzte der Schneesturm erst ein, als Géryville schon in Sicht war. Das Maultier verstand sein Handwerk, denn der Galopp, in den es überging, war so sanft wie das Fahren auf einer Achterbahn. Dann blieb es vor einem Hause stehen, das offenbar das Hotel von Géryville war; Studer stieg ab, er sah einem verschneiten Weihnachtsmann ähnlich, der sich aus Versehen rasiert hat. Und müde war er! Beim Nachtessen schlief er fast ein, wachte halb auf, nachdem er ein einziges Glas Wein getrunken hatte. Aber dann begann es in seinen Ohren zu brausen. Der Besitzer des Hotels schien an dergleichen Gäste gewöhnt zu sein; denn er führte den schweren Mann in ein Zimmer im oberen Stockwerk, zog ihm den nassen Mantel aus, deckte ihn zu... Am nächsten Morgen, als Studer angekleidet erwachte, fand er, der Besitzer habe sehr menschlich gehandelt. Die Wanzen hatten dem Wachtmeister nur die Hände verstechen können und ganz wenig die Stirne...

Der Hellseherkorporal nimmt Gestalt an
    Es war merkwürdig, aber doch eine Tatsache: alle höheren Offiziere der Fremdenlegion schienen sich einer behäbigen Körperfülle zu erfreuen. Kommandant Borotra, der das 2. Bataillon des 1. Regimentes befehligte und vier goldene Borten rund um sein Képi trug, hatte mit dem Tennis-Champion nur den Namen gemeinsam. Er war ein gemütlicher Fettwanst mit spärlichen, blonden Härchen über der Oberlippe.
    »Collani?« fragte er. »Sie suchen nach Collani? Wie kommt es, daß sich ein Polizist aus Lyon für meinen Korporal interessiert? Meinen Hellseherkorporal?«
    Studer schnitt ein geheimnisvolles Gesicht, deutete auf die gefälschte Unterschrift des Kriegsministers. Borotra wurde rot. Die Unterschrift besaß magische Eigenschaften... »Gehen Sie zu unserem Arzt«, sagte der dicke Kommandant. »Dr. Cantacuzène wird Ihnen Auskunft geben können. Und dann hoffe ich, werden Sie uns die Freude machen und Ihr Mittagessen bei uns in der Offiziersmesse einnehmen. Wir sind natürlich...« Räuspern »... soweit es in unserer Kraft steht, immer gerne bereit, dem Herrn...«, längeres Räuspern, »... Kriegsminister zu Diensten zu sein, hoffen aber, daß Sie nicht versäumen werden, seiner Exzellenz in Ihrem Rapport...« Räuspern, Räuspern, das nicht aufhören wollte.
    »Darüber wollen wir kein Wort verlieren«, sagte Studer trocken und kam sich vor wie ein Marschall des großen Kaisers, der einem Präfekten das Kreuz der Ehrenlegion verspricht. War Joseph Fouché nicht Herzog von Otranto gewesen? Studer konnte auch herzoglich tun. Manchmal ist die Demokratie die beste Schule für aristokratisches Benehmen.
    Dr. Cantacuzène sah aus wie ein durchtriebener Feuilleton-Redaktor, dem es schwerfallen würde, seine arische Abstammung glaubhaft zu machen. Er trug einen Zwicker mit dicken Gläsern, der ihm ständig vom Nasensattel rutschte und den er, wie ein Jongleur, bald am Bügel über einem Finger, bald auf dem Handrücken, sogar einmal auf der Stiefelspitze auffing.
    »Hysteriker«, sagte Dr. Cantacuzène, der griechischer Abstammung war, was er zuerst betonte. »Ihr Collani war ein typischer Fall männlicher Hysterie. Was nicht ausschließt, daß vielleicht doch okkulte Fähigkeiten in ihm schlummerten. Die Experimente, die ich mit ihm angestellt habe, lassen sich fast alle auf natürliche Art erklären, immerhin...«, er hob im richtigen Moment das linke Knie, um dem Zwicker dort einen Augenblick Ruhe zu gönnen, »... und auf alle Fälle hatte der Mann eine schwer belastete Vergangenheit. Und in dieser Vergangenheit gab es sicher einen Vorfall, der Collani schwer bedrückte. Mit mir hat er nie über dieses Thema gesprochen. Aber er hat sich eine Zeitlang sehr an einen gewissen Pater angeschlossen. Ich, für mein Teil, habe es abgelehnt, mich in Beichtstuhlgeheimnisse zu mischen...« Der Zwicker fiel auf den Teppich.
    »Er rauchte Kif«, fuhr der Arzt fort, »und das war ungesund für ihn, denn er war nicht kräftig. Sie wissen, was Kif ist? Haschisch. Cannabis indica... Collani ist, wenigstens spricht vieles dafür, von einem Fremden entführt worden. Ich, für mein Teil, glaube, daß der Mann eine kleine Spritzfahrt unternommen und irgendwo zuviel geraucht hat. Ein kleiner Collaps würde sein Verschwinden erklären...«
    Nein, sein

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