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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Kartenschlägerinnen... Kartenschlägerinnen.... Halt! Es gab da noch einen Hellseherkorporal namens Collani, der spiritistische Séancen veranstaltete. Aber es gab auch noch einen Börsenmakler, der sich mit dem gleichen Unsinn beschäftigte! Wie hatte der Bäcker in der Rue Daguerre gesagt? Der Bäcker, dessen Haare rot wie Pfälzerrüben waren? »Er beschäftigt sich mit den letzten Dingen!« Herr Koller hatte ein Stellenvermittlungsbureau für Abgeschiedene eröffnet. Sie klopften in den Tischen! Nochmals halt! Nicht spotten! Es blieb immerhin die Tatsache, daß dieser Fall ein Fall mit vielen Geschwistern war: die Brüder Mannesmann, die Brüder Koller, die Schwestern Hornuss. Wo zum Tüüfu sollte man den Hellseherkorporal Collani unterbringen? Ein vierter Bruder Koller? Stimmte das, dann ging die Gleichung auf...
    Chabis! Was meinte Dr. Malapelle vom Gerichtsmedizinischen? »Fantasmagoria!« Und wie sagte der Murmann im Amtshaus z'Bärn, und mit ihm alle Kollegen, vom Hauptmann bis herab zum Gemeinen? »Dr Köbu spinnt!«
    Und dem Polizeidirektor sollte man ein Paar marokkanische Sennenhunde mitbringen, mit Pedigree, wohlverstanden! Der Herr Direktor würde anders luege, wenn er wüßte, daß sein Wachtmeister Studer plötzlich zum Inspektor Fouché avanciert war. Aber schließlich paßte dies auch zu dem Fall. Die Leute, die darin vorkamen, hießen immer anders als man meinte. Cleman hieß Koller und Koller hieß Despine, wenn er sich nicht den Namen eines Heiligen zulegte und sich Pater Matthias nannte... Was würde der Herr Polizeidirektor für Augen machen, wenn man ihm zwei weibliche oder zwei männliche Sennenhunde mitbrachte?... Auch das würde zu dem Fall passen! Geschwister! Geschwister! Hehehehe...
    Es war schwierig zu lachen bei dieser Kälte, es zerriß einem die Lippen, die ohnehin schon gesprungen waren. Nach alter Gewohnheit griff Studer an die Stelle, an die er gewohnt war, die weichen Haare seines Schnurrbartes zu finden... Die Stelle war kahl...
    »Ööööööh!« rief Studer und das Maultier stand. Der Wachtmeister stieg ab, es war Mittag, er gedachte etwas zu essen. So setzte er sich auf einen Stein am Wegrand, und während er zähes Schaffleisch verschlang, blickte er um sich.
    Ebenen, Ebenen, Ebenen und dann, ganz in der Ferne, Berge, weiße Schneeberge... Sie erinnerten gar nicht an die Schweiz. Dort gab es auch am Fuße der Schneeberge Hotels mit Zentralheizung und warmem Wasser, sogar Skihütten gab es dort, heizbare Skihütten! Hier gab es nichts. Weit und breit kein Haus, kein Baum... Am Ende der Ebenen glänzten die Salzseen, giftig wie Chemikalien in Glasschalen.
    Geschwisterpaare... Es gab doch auch Sterne, die paarweise am Himmel standen. Dann war Marie ein Komet. Stimmte auch nicht! Marie war kein Komet. Kometen sind Vaganten in der Sternenwelt. Und Marie war keine Landstörzerin, keine Zigeunerin... Sicher war sie mit dem Koller verheiratet gewesen, mit dem Börsenmakler, der sich in afrikanischen Minenpapieren die Auszehrung geholt hatte...
    »Los einisch, Fridu!« wandte sich Studer an das Maultier – er hatte beschlossen, es Friedel zu nennen, Fridu, wie sie daheim sagten »los einisch!« Aber das Maultier wollte nicht lose, es fraß weiter und riß von Zeit zu Zeit an den Zügeln, in deren Schlaufe Studers Handgelenk hing. Da zog der Wachtmeister ein paar Stück Zucker aus der Tasche: »Sä!« sagte er. Das Maultier kam näher, reckte den Hals, blies Studer seinen warmen Atem über die Hände, das war wohltuend, nahm mit viel Anstand den Zucker mit den weichen Lippen, kaute andächtig, rollte sittsam die Augen und stieß dann einen Laut aus, der dem Wachtmeister in des Ausdrucks wahrster Bedeutung durch die Gebeine hindurch bis ins Knochenmark fuhr... Ein Zwitterding war dieser Laut, halb Eselsgeschrei, halb Pferdegewicher – aber das arme Tier konnte nichts dafür... Es sang, wie es konnte... Studer stand auf... Die Glieder schmerzten ihn, er sehnte sich nach seinem Bureau, in dem es nach Bodenöl und Staub roch, in dem der Dampf in den Röhren knackte – in dem es warm war, warm ...
    »Los einisch, Fridu«, begann Studer von neuem. »Die Marie... Äbe... Nei, nid Gras fresse, das isch ug'sund, i gyb dr denn es Stückli Brot! Sssä! Weischt, d'Marie... Wenn, äbe, wenn... denn seyt d'Marie: Märci, Vetter Jakob! U denn isch alls guett... ja – du bisch en Guete, Fridu! Chumm jetz...«
    Noch eine Pfeife, das Béret über die Ohren gezogen, dann aufgesessen. Hinten am

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