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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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zurück, übernachtete dort und nahm am nächsten Morgen den Zug, der Oran mit Colom-Béchar verbindet. Bouk-Toub, die Eisenbahnstation, von der aus Géryville am leichtesten zu erreichen ist, liegt an dieser Linie. Ein Auto hätte ein Vermögen gekostet. Autos durften sich nur Privatdetektive in Romanen leisten. Ein Berner Fahnderwachtmeister mußte rechnen...
    Das Dorf Bouk-Toub bestand aus genau fünfundzwanzig Häusern, und Studer nahm sich die Mühe, sie zu zählen, als er nach einem Transportmittel fahndete, das ihn nach Géryville bringen sollte. Eine öde Gegend. Es war nicht recht ersichtlich, warum sich fünfundzwanzig Feuer in dieser Mondlandschaft entzündet hatten.
    Vor einem Pferd hatte Studer eingefleischtes Mißtrauen, noch mehr vor dem merkwürdigen Sattel, der ihm angeboten wurde: ein Brett vorne, ein Brett hinten, Steigbügel an einem kurzen Riemen, Steigbügel, breit und lang wie seine Finken am grünen Kachelofen in der Wohnung auf dem Kirchenfeld. Das Kirchenfeld war weit, und weit das Café mit dem grünen Billardtisch... Was tat wohl das Hedy? Lachte es? Weinte es?... Und der Notar Münch, sein Partner im Billardspiel?...
    Endlich fand Wachtmeister Studer ein Maultier. Aber auch dann brauchte es endlose Verhandlungen, bei denen weder die Polizeimarke noch die Empfehlung des Kriegsministers etwas nützte, bis endlich Inspektor Joseph Fouché das Tier besteigen durfte. Auch ein Sattel wurde aufgetrieben und ein Paar lederne Gamaschen, die so uralt waren, daß sich der Kauf von vier Lederriemen als notwendig erwies; denn die Hüllen, die Studers Waden schützen sollten, waren morsch...
    Das Maultier war ein Spaßvogel. Wenn es die Lippen aufstülpte, sah es aus, als habe es soeben einen ausgezeichneten Witz erzählt und warte nur auf das Lachen der andern, um selbst einzustimmen. Seine Lippen waren grau, mit einem talergroßen Fleck und weich wie feinste Seidenmousseline. Studer schenkte dem Tier sogleich sein Vertrauen, und um es günstig zu stimmen, steckte er ihm drei Stück Zucker ins Maul. Der Esel grinste...
    »Nach sechzig Kilometern«, sagte der Besitzer, »werden Sie eine Farm erreichen. Sie liegt gerade halbwegs. Dort übernachten Sie. Dann sind Sie am nächsten Abend in Géryville.«
    So ließ Studer am nächsten Morgen die fünfundzwanzig Häuser Bouk-Toubs hinter sich. Im Anfang ging es ganz gut. Das Maultier benahm sich gesittet. Es ging seinen klappernden Gang, schnaufte von Zeit zu Zeit, schüttelte den Kopf, als müsse es windige Gedanken verscheuchen. Aber nach vierzig Kilometern war Studer wundgeritten. Er hielt tapfer aus bis zum sechzigsten Kilometer, fand auch die Farm, die in einer kleinen Mulde lag. Abends pflegte er seinen Körper mit Talkpuder und seine Seele mit Rotwein. Der Rotwein war dick und erzeugte Sodbrennen – das Schafsragoût jedoch, das man ihm vorsetzte, brannte genau so auf der Zunge wie das Ragoût im chinesischen Restaurant in Paris... Die Abenddämmerung war flaschengrün, dann kam die Nacht – und fremd war der Himmel: durchsichtig war seine Schwärze und später, viel später erst, blinzelten die Sterne. Studer lag in der Küche auf einem Lager aus Alfagras, Schafe bähten, und das feuchte Weinen eines Lammes klang wie Kinderklage... »Das junge Jakobli läßt den alten Jakob grüßen...« Strickte das Hedy immer noch an den weißen Babyhosen? Vor dem Einschlafen rauchte es wohl eine Zigarette und fragte sich, was wohl der alte Jakob, der alte, spinnende Jakob tat...
    Der Trott eines Maulesels kann einschläfernd wirken. Aber wenn es kalt ist und immer kälter wird, je näher man dem Hochplateau kommt, dann verdunstet die Schläfrigkeit wie Tau im Heuet... Und die Gedanken beginnen zu hüpfen – das ist unangenehm, denn es erzeugt einen schwindelerregenden Wirbel... Das Band der Straße ist immer gleichförmig gelb, an den Rändern raschelt das trockene Alfagras, die schwarzen Wolken am Himmel erinnern an Tod und Trauer... Ist es ein Wunder, wenn man der alten Frauen gedenkt in ihren Lehnstühlen, der verstorbenen alten Frauen?... Und weiter reitet man durch den fremden Tag...
    Der Pater... Der Hellseherkorporal... Der Geologe... Der Sekretär – Der Pater – der Geologe. Zwei Brüder.
    Was hinderte den Koller, den Börsenmakler, der als Despine in die Fremdenlegion eingetreten war, ein Bruder dieser beiden zu sein? Drei Brüder: Pater Matthias, Cleman-Koller, Victor Alois, Koller-Despine, Jakob... Zwei Schwestern: Sophie und Josepha, beide

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