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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Gott, haben die gut abgeschnitten!«
    (Ihr Stolz auf ihre Kinder – war das nicht auch was Jüdisches?)
    Treslove war verwirrt. »Kann man denn jüdische Kinder haben, wenn man selber kein Jude ist?«
    »Nicht, wenn es nach den orthodoxen Juden geht. Jedenfalls nicht ohne Weiteres. Wir hatten zwar eine liberale Hochzeit, doch selbst dafür musste ich zum Judentum übertreten. Zwei Jahre habe ich investiert, habe gelernt, einen jüdischen Haushalt zu führen und eine jüdische Mutter zu sein. Frag mich, was du über das Judentum wissen willst, und ich sage es dir. Wie man ein Hühnchen koscher schlachtet, die Schabbes-Kerzen anzündet, was bei einer Mikwe passiert. Soll ich dir verraten, woher eine gute Jüdin weiß, wann ihre Periode vorbei ist? Ich habe mehr Jüdischkeit in mir als alle echten Jüdinnen in Hampstead zusammengenommen.«
    Treslove schaltete ab, stellte sich alle echten Jüdinnen Hampsteads zusammen vor, doch dann fragte er: »Und was ist eine Mikwe?«
    »Ein Ritualbad. Das sucht man auf, wenn man sich für seinen jüdischen Mann reinigen will, der sterben würde, sollte er auch nur einen Tropfen von deinem Blut abbekommen.«

    »Sam wollte, dass du das tust?«
    »Nein, Samuel nicht, ich selbst. Samuel scherte sich nicht im Mindesten darum. Er findet es sogar barbarisch, sich vor Menstruationsblut zu fürchten, für das er, ehrlich gesagt, durchaus was übrig hat, dieser Perversling. Ich bin um meinetwillen zur Mikwe gegangen, weil ich das Bad beruhigend fand. Denn obwohl ich katholisch getauft wurde, bin ich heute jüdischer als er. Ich bin die jüdische Prinzessin, die du aus den Märchen kennst, nur bin ich eben keine Jüdin. Die Ironie des Ganzen …«
    »… ist die, dass er Schicksen fickt?«
    »Das wäre zu offensichtlich. Für ihn bin ich immer noch eine Schickse. Wenn er Verbotenes will, kann er das zu Hause haben. Nein, die Ironie ist, dass er es mit jüdischen Weibern treibt. Mit Ronit Kravitz, seiner Produktionsassistentin, dieser Speckrolle. Der brächte es sogar fertig, sie zu bekehren.«
    »Ich dachte, du hättest gesagt, sie sei bereits Jüdin.«
    »Sie zum Christentum zu bekehren, du Trottel.«
    Treslove verstummte. Es gab so vieles, was er nicht verstand. Und so vieles, worüber er sich aufregen konnte. So war ihm, als hätte er endlich einen lang begehrten Preis erhalten, bloß damit er ihm wieder entrissen wurde, ehe er auch nur einen Platz dafür auf dem Kaminsims gefunden hatte. Tyler Finkler war kein Finkler! Also war ihm das tiefe, feuchte, dunkle Mysterium einer Finklerin streng genommen – und in diesem Fall galten nur die strengsten Kriterien – noch immer unbekannt.
    Sie zog sich an. »Ich hoffe, ich habe dich nicht enttäuscht«, sagte sie.
    »Enttäuscht? Mich? Wohl kaum. Wirst du dir auch die zweite Folge mit mir ansehen?«
    »Denk drüber nach.«
    »Was gäbe es da nachzudenken?«
    »Ach, du weißt schon«, sagte sie.
    Als sie ging, gab sie ihm keinen Kuss.

    Doch sie steckte noch mal den Kopf durch die Tür. »Ein Rat von jemandem, der Bescheid weiß. Lass sie niemals hören, dass du sie Jüüüdin nennst«, warnte sie ihn und imitierte den langgezogenen Laut, mit dem er das Wort ausgesprochen hatte. »Das mögen die nämlich gar nicht.«
     
    Immer gab es irgendwas, was sie nicht mochten.
    Doch er tat, wie sie ihm geraten hatte, und dachte nach.
    Er dachte daran, dass er seinen Freund hintergangen hatte, und fragte sich, warum ihn deshalb kaum Gewissensbisse quälten. Fragte sich, ob es ihm ein besonderes Vergnügen bereitet hatte, dem Freund in die Vagina seiner Frau zu folgen. Nicht das einzige Vergnügen, doch immerhin. Fragte sich, ob Finkler seine Frau unabhängig von ihrer Herkunft zuinnerst tatsächlich koscher gemacht hatte, sodass er, Treslove, glauben konnte, er hätte mit ihr letztlich eine Jüdin gehabt – Jud, Jud, Jüüüdin (ein Wort, bei dem er sich nicht erwischen lassen durfte). Oder nicht. Und falls nicht, musste er dann ganz an den Anfang zurück und sich erneut fragen, wie es wohl sein würde?
    Und bedachte diese Fragen und ähnliche Mysterien des religioerotischen Lebens noch lange nach Tyler Finklers tragischem Tod.
    3
    Normalerweise schlief Treslove tief und fest, doch nun lag er Nacht für Nacht wach und seine Gedanken kreisten um den Überfall.
    Was war geschehen? Wie würde er es der Polizei erzählen, einmal angenommen, er würde es der Polizei erzählen, was er keineswegs vorhatte. Er hatte den Abend mit zwei alten Freunden verbracht,

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