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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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BH-Verschluss herumfummeln oder mit einem Glas hadern, dessen Deckel sich nicht öffnen lassen wollte, während sie in einem fortlaufenden Kommentar über ihren Gatten herzog. Es war ihr lieber, das Licht anzulassen, und auch der Stille konnte sie keine sinnlichen Freuden abgewinnen. Nur als er in sie eindrang – bloß kurz, da sie sagte, sie halte nichts von
ausgedehntem Geschlechtsverkehr –, fand Treslove die warme, dunkle, finklerische Humidität, die er sich erträumt hatte. Und sie übertraf all seine Erwartungen.
    Er lag auf dem Rücken und spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Er sagte ihr, dass er sie liebe.
    »So ein Quatsch«, sagte sie. »Du kennst mich ja gar nicht. Das war Sam, mit dem du es gemacht hast.«
    Er richtete sich auf. »Ganz bestimmt nicht.«
    »Mich stört’s nicht. Kann mir nur recht sein. Vielleicht tun wir es sogar noch mal. Und wenn es dich aufgeilt, es mit deinem Freund zu machen – es mit ihm zu machen oder ihn fertigzumachen, da nehme ich es nicht so genau –, ist das für mich auch in Ordnung.« Treslove stützte sich auf, um sie anzuschauen, aber sie hatte sich schon wieder von ihm abgewandt. Dann streckte er eine Hand aus, um ihr über das Haar zu streichen.
    »Lass das«, sagte sie.
    »Du verstehst nicht«, sagte er, »es war für mich das erste Mal.«
    »Du hattest zum ersten Mal Sex?« Sie klang nicht sonderlich erstaunt.
    »Das erste Mal, dass …«, jetzt, da er es in Worte fassen wollte, klang es geschmacklos, »das erste Mal, dass … du weißt schon …«
    »Das erste Mal, dass du Samuel Hörner aufgesetzt hast? Da mach dir keine Sorgen. Könnte er dir welche aufsetzen, würde er keine Sekunde zögern. Wahrscheinlich hat er es längst getan. Er hält es für sein droit de philosophe . Als Denker denkt er, er hätte das Recht, jede Frau zu vögeln, die ihm gefällt.«
    »Das meine ich nicht. Ich meine, du bist meine erste …«
    Er spürte, wie sehr sie sein Zaudern ärgerte. Selbst das Bett um sie herum wurde kalt. »Erste was? Spuck’s aus. Verheiratete Frau? Mutter? Frau eines Fernsehmoderators? Frau ohne UniAbschluss? «

    »Was, du hast kein Examen?«
    »Erste was, Julian?«
    Er schluckte einige Male, doch musste er sich das Wort sagen hören. Es zu sagen war in seiner Unheiligkeit fast so herrlich, wie es mit ihr zu tun. »Jude«, brachte er schließlich hervor. Doch war das nicht ganz das Wort, auf das er aus gewesen war. »Jüüüdin«, sagte er dann, wobei er die erste Silbe in die Länge zog, ein Laut, der wie ein hitziger Hauch über seine Lippen strich.
    Sie drehte sich um, als müsste sie sich zum ersten Mal vergewissern, wie er aussah; Spott tanzte in ihren Augen. »Jüdin? Du hältst mich wirklich für eine Jüdin?«
    »Bist du keine?«
    »Das ist wirklich die netteste Frage, die du mir stellen konntest. Aber wie bist du bloß auf die Idee gekommen, ich könnte eine waschechte Jüdin sein?«
    Treslove wusste nicht, was er darauf erwidern sollte; es gab so viel zu sagen. »Alles«, brachte er schließlich hervor, während ihm einfiel, dass er zur Bar-Mizwa von einem der Finkler-Jungen eingeladen gewesen war; da er aber nicht mehr wusste, bei welchem von beiden, schwieg er lieber.
    »Tja, dein Alles ist ein Nichts«, sagte sie.
    Er war bitter enttäuscht. Tyler keine Jüdin? Und was hatte es dann mit dem dunklen Mysterium auf sich, in das er eingedrungen war?
    Sie sah ihn mit vorgestülpter Unterlippe an (und das, war das etwa nicht jüdisch?). »Glaubst du wirklich«, fuhr sie fort, »Samuel hätte eine Jüdin geheiratet?«
    »Na ja, ich kann nicht glauben, dass er es nicht getan haben sollte.«
    »Das beweist nur, wie schlecht du ihn kennst. Er hat es auf Nicht-Juden abgesehen; die will er erobern. Wollte er schon immer. Das solltest du eigentlich wissen. Mit den Juden ist er durch. Er wurde als Jude geboren. Die können ihn nicht ablehnen.
Warum sollte er also seine Zeit mit ihnen vergeuden? Hätte ich ihn drum gebeten, hätte er mich in einer Kirche geheiratet. Dass ich es nicht getan habe, hat ihn sogar ein winziges bisschen sauer gemacht.«
    »Und? Warum hast du es nicht getan?«
    Sie lachte, ein trockenes Rasseln in ausgedörrter Kehle. »Weil ich nur eine Version seiner selbst bin, deshalb. Wir hatten beide vor, die Welt des anderen zu erobern. Er wollte, dass ihn die Gojim lieben; ich wollte, dass mich die Juden lieben. Und mir gefiel der Gedanke, jüdische Kinder zu haben. Ich dachte, dann schneiden sie in der Schule besser ab. Und mein

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