Die Finsteren
den zehn Monaten, die er auf Streife ging, hatte sich eine ganze Reihe von Bürgern über ihn beschwert. Tatsächlich hatte Shannon nach einem Grund gesucht, ihn entlassen zu können. Tja, nun spielte das keine Rolle mehr. Der dämliche Brutalo war von einer Gruppe Jugendlicher, die eine Spritztour unternahm, über den Haufen gefahren worden.
Erneut sah er sich das Überwachungsvideo aus Deckers Streifenwagen an. Mittlerweile empfand er es als ermüdend vertraut. Das Geheul der Sirene. Der alte Cadillac, der rechts ranfuhr, der Streifenwagen dahinter. Dann führte sich Decker wie ein Arschloch auf und zog bei einer routinemäßigen Verkehrskontrolle sein Schießeisen. Schrie rum wie ein verfluchter Idiot. Dann ... kam der Pick-up angerast. Platsch. Decker ist tot. Der andere Kerl steigt aus dem Auto, hält seine schräge Ansprache und braust davon.
Shannon kannte den Kerl. Vor langer Zeit waren sie einmal Freunde gewesen.
Er seufzte. »Clay ... was ist nur mit dir passiert, Mann?«
Shannon überlegte immer noch hin und her, was er wegen Clayton Campbell unternehmen sollte, als er das Geschrei aus dem Gemeinschaftsraum hörte. Er stürmte aus dem Büro und schwang die Tür mit einem Knall auf. Ihm war klar, dass alle unter Stress standen und die Nerven blank lagen. Trotzdem mussten die Männer endlich anfangen, sich wie Profis zu benehmen. »Was zum Teufel ist hier ...«
Ein Beamter mit einer Pistole wirbelte beim Klang von Shannons Stimme zu ihm herum. Shannon spürte den Einschlag der Kugel, bevor seine Ohren den Knall der feuernden Waffe registrierten. Er taumelte gegen den Türrahmen, blickte an sich herab und sah, dass Blut aus einer Wunde in seinem Bauch pulsierte. Ein weiterer Schuss durchschlug seine Schulter. Gleich darauf folgten weitere Schüsse. Im Gemeinschaftsraum brach ein heilloses Durcheinander aus. Zwei Beamte in voller Montur feuerten auf ihre Kollegen. Der Rest von Shannons Männern wirkte völlig überrumpelt und eilte in Deckung. Mehrere wurden getroffen und gingen zu Boden. Schließlich gelang es jemandem, das Feuer zu erwidern, und einer der Angreifer fiel. Shannon rutschte am Türrahmen entlang nach unten, als die Kraft aus seinen Beinen wich. Er tastete nach der Dienstwaffe, als sein Hintern auf dem Boden landete. Der verbliebene Angreifer, ein Polizist namens Barton, bemerkte, wie er nach seiner Pistole griff, und kam auf ihn zu.
Barton richtete die eigene Waffe direkt auf Shannons Gesicht. »Andras lässt grüßen.«
Shannon bekam noch mit, wie Bartons Finger den Abzug durchzudrücken begann.
Es sollte das Letzte sein, was er je sah.
Andras stand auf dem Dach des Schuppens im hinteren Bereich des Gartens, wo das Grundstück an ein Waldgebiet grenzte. Natasha starrte zu ihm hoch und bewunderte den dramatischen Anblick, den er mit den Händen an den Hüften bot. Die dunklen Umrisse seines Körpers zeichneten sich vor den kahlen Ästen der Bäume ab, der silbrige Mond schwebte über seinem Kopf. Mehrere Hände streckten sich nach verschiedenen Teilen ihres Körpers aus und hoben sie vom Boden dem Dach des Schuppens entgegen. Als sie in Reichweite gelangte, klammerte sie sich an der Traufe fest und zog sich nach oben, um sich neben ihren Bräutigam zu stellen. Er umarmte und küsste sie so leidenschaftlich, dass ihr die Knie weich wurden. Es hatte eine Zeit gegeben, da waren ihr die Knie auch weich geworden, wenn Mark sie küsste, doch bei Andras fühlte es sich deutlich intensiver an.
Der Dämon brach den Kuss ab und grinste.
Er wandte sich von ihr ab und trat an den Rand des Dachs. Dort stieß er eine Faust in die Luft und schmetterte einen Schlachtruf. Durch das Meer der ineinander verschlungenen Leiber unter ihm ging eine Bewegung. Beim Ausruf ihres Anführers trennten sie sich voneinander, standen auf und wankten so nah wie möglich zum Schuppen, drängten sich dicht aneinander. Die Menschen zu Andras’ Füßen ahmten ihn nach. Sie klangen und verhielten sich wie ein primitiver Stamm bei der Vorbereitung auf einen Kampf. Während Andras immer wieder die Faust in den Himmel stieß, steigerten sie sich in Raserei, dann schwenkte er eine Hand und bedeutete ihnen, zu schweigen. Eine ehrfürchtige Stille hielt Einzug.
Andras lief am Rand des Dachs auf und ab, während er sprach: »Seid gegrüßt, meine neuen Freunde und Kameraden. Ich sage das, weil ihr nicht bloß Diener seid. Ihr seid nicht hier, um vor mir zu kriechen und um meine Anerkennung zu rittern. Ihr seid jetzt Soldaten
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