Die Finsteren
frei?«
»Ich schätze, das könnte ich tun.«
»Na, was jammerst du dann?«
Jared sah Derek an und deutete mit dem Kinn auf den Karton mit Budweiser. »Gibst du mir mal ’n Bier?«
Derek holte eine Dose aus dem Karton und warf sie Jared zu, der sie mit einer Hand aus der Luft fing und aufriss. »Die Spanplatten zu zerschlagen, wär ’ne Menge Arbeit. Und ’ne ziemliche Sauerei. Splitter würden überall rumfliegen. Mit einem Brecheisen wär’s einfacher und sauberer. Damit könnten wir die Platten einfach runterhebeln und dann könnt’ ich das Schloss aus der Tür schlagen.«
Kevin nickte. »Okay, ja. Seh ich ein. Aber ... wozu Taschenlampen?«
»Da drin wird’s echt finster sein, Mann. So richtig finster. Ich red hier von einem pechschwarzen Loch. Und du kannst mich ruhig einen Schisser nennen, wenn du willst ...«
»Schisser.«
Jared zeigte Kevin mit der Hand, in der er die Bierdose hielt, den gestreckten Mittelfinger. »Denk doch mal nach. Jedes Fenster in dem Haus ist verrammelt. Und ich hab nicht vor, alle Spanplatten zu entfernen. Ich bin hergekommen, um Spaß zu haben, nicht, um zu schuften wie ein Bekloppter. Ich will wissen, wohin ich trete, wenn wir in der Scheißbude drin sind.«
Derek schaute zu Kevin. »Da hat er nicht unrecht.« Er schwang sich über das Verandageländer und sprang auf die Dielen. »Ich kann alles, was wir brauchen, aus dem Arbeitsschuppen meines Vaters besorgen. Und zu mir nach Hause ist es nicht so weit. Trinkt nur nicht das ganze Bier aus, während ich weg bin, ihr Penner.«
Kevin kicherte. »Das fasse ich mal als Herausforderung auf. Ich trinke alles allein aus.«
Jared schüttelte den Kopf. »Einen Scheißdreck wirst du tun.« Er sah Derek an. »Beeil dich.«
Derek wandte sich von den beiden ab und ging über die Lichtung in den Wald, wo ihn die Dunkelheit verschluckte. Die Angst, die ihn umfing, überraschte ihn. Er kannte den Weg durch den Wald besser als jeder andere, konnte ihn bei Nacht fast genauso leicht wie tagsüber finden. Warum also fühlte es sich in dieser Nacht so an, als zerre die Finsternis an ihm – fast so, als sei sie ein lebendiges Wesen und versuche, ihn in eine klebrige Umarmung zu ziehen?
Scheiße .
Er wusste, dass es verrückt und irrational war, trotzdem konnte er das Gefühl nicht abschütteln.
Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte.
12
Die Türglocke bimmelte.
Clayton Campbell saß auf dem Sofa und sah sich Doctor Who auf BBC America an. Stöhnend beugte er sich vor, um sein Bier auf dem Couchtisch abzustellen, den verschiedenste Zeitschriften und unsortierte Post übersäten. Er schob einen Stapel ungeöffneter Umschläge beiseite und stellte die Flasche auf dem fleckigen Holz ab. Untersetzer benutzte er nicht, weshalb sich unzählige, einander überlappende Ringe in der Oberfläche verewigt hatten. Es spielte keine Rolle. Die Leute, die ihm Gesellschaft leisteten, waren weder allzu wählerisch noch verurteilten sie ihn deswegen. Meistens handelte es sich um Jugendliche, die ihn wegen des einen oder anderen Gefallens aufsuchten.
Fast immer kamen sie nachts.
Sie schienen allergisch gegen Sonnenlicht zu sein. Hätte Clayton es nicht besser gewusst, er hätte sie vielleicht für Vampire gehalten. Aber sie waren keine Vampire. Natürlich nicht. So etwas gab es nicht. Und dasselbe galt für alle sonstigen angeblich übernatürlichen Phänomene. Nur ein Haufen ausgemachter Blödsinn, ungeachtet der Verrücktheiten, die sein durchgeknallter Vater ihm als Kind immer erzählte.
Trotz seiner Skepsis gegenüber allem Übernatürlichen liebte Clayton Horrorfilme. Gelegentlich fanden sich die sogenannten »Finsteren« – eine Bezeichnung, die ihn immer wieder zum Kichern brachte – zu einem nächtlichen Filmmarathon mit Klassikern des Splattergenres bei ihm ein. Am besten gefielen ihnen die billigsten und seichtesten Blutorgien seiner umfassenden Filmsammlung, darunter Frankenhooker, Verschraubt und genagelt, Blood Feast, Blood Diner, Driller Killer, Der Bohrmaschinenkiller, Die Hündin von Liebeslager 7 und Ein Zombie hing am Glockenseil . Allesamt viele Jahre vor der Geburt seiner jungen Gäste entstanden.
Manchmal fürchtete er, einige der Eltern könnten eine aufgebrachte Meute zusammentrommeln und Jagd auf ihn machen, fest entschlossen, seinem schädlichen Einfluss ein Ende zu bereiten. Aber die Kinder blieben die ganze Nacht auf Achse und schliefen, wenn sie von der Schule nach Hause kamen. Ihre bescheuerten Eltern
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