Die Finsteren
spielten in ihrem Leben offensichtlich keine besondere Rolle.
Die Türglocke meldete sich erneut.
Trotzdem konnte es nicht schaden, vorsichtig zu sein. Grunzend raffte sich Clayton auf und zuckte beim Knacken seiner Kniegelenke zusammen. Er verließ das Wohnzimmer und ging in die Diele. In der Ecke neben der Tür lehnte ein Baseballschläger. Das dicke Ende war schwer und robust. Ein ordentlicher Treffer mit dem Teil würde jeden Eindringling ins Reich der Träume befördern. Gut, gegen jemanden mit einer Kanone konnte er damit nicht viel ausrichten, aber Clayton hasste Schusswaffen. Sein Vater hatte Selbstmord begangen, indem er sich das Hirn mit einer Smith & Wesson .38 aus dem Schädel pustete.
Eine Pistole im Haus hätte er als ständige und unerträglich schmerzvolle Erinnerung an diese Tragödie empfunden, die jetzt ein Jahrzehnt zurücklag. Aber das war nicht alles. Eine Schusswaffe im Haus käme auch einer gefährlichen Verlockung gleich. Clayton trank ganz gerne etwas. Und er kiffte gern. Beides tat er oft allein. Manchmal wurde er dabei melancholisch, verfiel in Selbstmitleid und bedauerte, wie sich sein Leben entwickelt hatte. Nur allzu leicht konnte er sich vorstellen, denselben Ausweg zu wählen, für den sich einst sein Vater entschieden hatte.
Er packte den Schläger am Griff und schob ein Auge an den Türspion.
Gleich darauf stellte er den Schläger zurück und öffnete die Tür. »Hi, Fiona.«
Das Mädchen, das auf der Veranda stand, lächelte ihn an. Draußen herrschte frostige Kälte. Fiona zitterte ein wenig. Die Hände hatte sie tief in den Taschen ihrer schwarzen Kapuzenjacke vergraben. »Hi, Clay. Darf ich reinkommen?«
»Klar.«
Er trat beiseite und hielt ihr die Tür auf. Das schlanke Mädchen schob sich durch die Öffnung und blieb schaudernd in seiner Diele stehen. Clayton lauschte dem Klappern ihrer Zähne. Sie wippte auf den Zehen auf und ab und nickte mit dem Kopf. Fiona besaß ein hübsches Gesicht. Wirklich süß, mit großen Augen und hohen Wangenknochen. Der dunkle Eyeliner, den sie aufgetragen hatte, brachte ihre Augen besonders unwiderstehlich zur Geltung. Lange, schwarz gefärbte Haare umrahmten ihre blassen, zierlichen Züge. Den einzigen Makel bildete leichte Akne am Kinn. Und sie war fast zu mager, hatte keine richtige Figur.
Erneut lächelte sie. »Du siehst wie der Dude aus.«
Clayton runzelte die Stirn.
Dann ging ihm ein Licht auf.
Ach ja. The Big Lebowski .
Sein langes zottiges Haar und der abgewetzte Bademantel, den er über dem Pyjama trug, legten den Vergleich nahe. »Ich schwöre, das ist keine Absicht. Ich hab nur ... äh ...«
Sie lachte. »Ja, schon klar. Hast du Gras?«
Ah.
Der Grund für ihren Besuch. In der Regel ging es entweder um Stoff oder um Alkohol. Es störte ihn nicht, die Kids mit dem zu versorgen, was sie brauchten. Er wusste, wie es ihnen ging. In ihrem Alter hatte er es genauso gehalten. Man musste sich einfach bekiffen oder besaufen und dafür brauchte man eine zuverlässige Quelle. Die Kids zeigten sich lobenswert wählerisch bei der Entscheidung, wo sie sich ihr Zeug besorgten. Schon mehrere von ihnen hatten sich wegen einer Dummheit, die sie unter Alkohol- oder Drogeneinfluss begangen hatten, Schwierigkeiten eingehandelt. Clayton klopfte auf Holz – weder die Bullen noch erboste Eltern hatten ihm bisher einen Besuch abgestattet. Er vertraute den Kids und konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihn je verpfiffen. Es mochte naiv sein, aber er glaubte fest daran.
»Gut möglich, dass ich dir helfen kann.«
»Cool, Mann. Dafür wär ich dir echt dankbar.«
»Wie viel willst du?«
»Ich hatte an vier Gramm gedacht?« Beim letzten Wort hob sie die Stimme, wodurch sie eine Äußerung in eine Frage verwandelte. »Aber ich hab nur zehn Dollar dabei. Schreibst du mir den Rest an?«
Clayton kratzte sich am bartstoppeligen Kinn. »Schuldest du mir nicht noch was für das letzte Tütchen?«
Ihre Züge knautschten sich zusammen und sie wippte auf den Fußballen. »Komm schon, Mann, du kriegst das Geld. Das weißt du.« Sie lachte. »Scheiße, wenn du willst, blas ich dir auch einen.«
»Äh ... das wird nicht nötig sein. Ich stunde es dir einfach noch mal.«
Fiona kam näher und schmiegte sich an ihn. Mit kokettem, verspieltem Gesichtsausdruck schaute sie zu ihm auf. »Du magst mich doch, oder?«
Er lächelte. »Klar mag ich dich. Es ist nur so ... äh ...« Clayton hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Ihr zierlicher Körper fühlte sich
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