Die Finsteren
in diesem Augenblick über ihr Gesicht fiel, fühlte sich befriedigend an. Er verlieh ihm das letzte bisschen Kraft, das er brauchte, um es darauf anzulegen. Mittlerweile zitterte er nicht einmal mehr. Es war erstaunlich. In der Schule kannte er keine Angst. Dort ging er nie einem Kampf aus dem Weg. Zu Hause hingegen verhielt es sich völlig anders. Hier verfiel er jedes Mal zurück in das Verhalten eines verängstigten kleinen Kindes. Bis zu diesem Moment. Das Fehlen jeglicher Angst verlieh ihm ein Hochgefühl. Als er sich an seiner Mutter vorbeischob, wusste er, dass sie nicht mit dem Gürtel zuschlagen würde. Diesmal nicht. Nie wieder.
»Bleib.«
Ihre Stimme klang jetzt leiser, das Wort mehr Bitte als Befehl.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Mir ist egal, was nach heute Nacht passiert. Du wirst mir nicht länger wehtun.«
Ihre Gesichtszüge fielen in sich zusammen. »DeeDee, bitte ...«
Er streckte die Hand nach der Tür aus. »Nein.«
»Bleib und du darfst mit mir ficken. Würde dir das nicht gefallen?«
»Du bist echt schwer gestört, Ma. Das weißt du, oder?«
Damit öffnete er die Tür und ging hinaus in die Nacht.
15
Der schmale Pfad, der einst als Zufahrt zu dem verlassenen Haus gedient hatte, war mittlerweile dermaßen überwuchert, dass er aus vorbeifahrenden Fahrzeugen kaum bemerkt werden konnte. Die kleine Lücke zwischen den Bäumen ließ sich nur allzu leicht übersehen, wurde von den meisten Menschen gar nicht wahrgenommen. Selbst wenn man wusste, wonach man Ausschau halten musste, bestand die Gefahr, einfach vorbeizufahren. In der Dunkelheit gestaltete es sich natürlich noch kniffliger, den Pfad zu finden und ihm zu folgen. Sogar wenn man ihn entdeckte und anfangs in die richtige Richtung lief, konnte man noch davon abkommen und tiefer im Wald, statt näher beim Haus landen.
Genau das war Mark passiert, als er sich das letzte Mal nachts hier herumgetrieben hatte, damals allerdings allein. Ohne Begleitung verirrte man sich noch leichter im Wald. Diesmal hingegen hatte er Natasha und Fiona dabei und sie kamen relativ schnell voran. Jared und Kevin hockten auf der Veranda. Als die drei Neuankömmlinge die Lichtung betraten, standen die beiden Jungs auf, um sie zu begrüßen.
Jared nickte Mark zu. »Hey.«
»Hey.«
»Willst du ein Bier?«
»Stehst du auf Muschis?«
Jared kniff die Augen zusammen. »Willst du damit andeuten, das war eine dumme Frage?«
»Ja.«
»Pisser.«
Grinsend holte sich Mark ein Bier aus dem Budweiser-Karton und reichte zwei der Dosen an Fiona und Natasha weiter. Sie rissen die Verschlüsse auf, standen zu fünft herum, tranken und redeten darüber, in das Haus einzusteigen, bis sie das Knirschen von Stiefeln auf Laub hörten. Sie drehten sich in Richtung des Geräuschs und erblickten Derek McGregor, als er gerade die Lichtung betrat. Er hatte Taschenlampen und noch etwas anderes dabei. Mark brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es sich bei dem schweren Metallgegenstand um ein Brecheisen handelte.
Derek grinste, als er sich näherte. »Hey, Kevin. Du hast doch nicht etwa das ganze Bier ausgesoffen, oder?«
Kevin grinste zurück. »Ein, zwei Dosen hab ich dir aufgehoben.«
Jared reckte das Kinn in Dereks Richtung. »Gib mir das verfluchte Brecheisen.«
Derek reichte Jared das Werkzeug. Der machte sich damit sofort an der mit Brettern vernagelten Tür zu schaffen, indem er das gezinkte Ende in den schmalen Spalt zwischen Brett und Türrahmen zwängte. Die anderen standen da und schlürften Bier, während sich Jared der Aufgabe mit einer Entschlossenheit widmete, die zeitweise an Raserei grenzte. Gelegentlich hielt er inne, um das gezinkte Ende an einer anderen Stelle anzusetzen und das Werkzeug kraftvoll hin- und herzuhebeln. Die wilde Verbissenheit seiner Züge verriet, wie sehr er sich dabei ins Zeug legte.
Widerwillig löste sich das Brett auf einer Seite allmählich vom Türrahmen. Die Nägel, die verwendet worden waren, erwiesen sich als dick und ausgesprochen lang. Das Holz knarrte und splitterte an manchen Stellen, als sich das Brett lockerte. Jared grunzte bei jeder Bewegung des Brecheisens lauter. Schweiß glänzte in seinem Gesicht und lief ihm die Stirn hinab in die Augen. Er blinzelte die Tropfen weg, machte weiter und widmete die Aufmerksamkeit schon bald der anderen Seite der Tür.
Irgendwann legte er eine kurze Pause ein, um sein Flanellhemd auszuziehen. Darunter kam ein schwarzes Cannibal-Corpse-T-Shirt zum Vorschein. Abgesehen davon
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