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Die Finsteren

Die Finsteren

Titel: Die Finsteren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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als ausgesprochen anstößig empfand. Mark störte es in der Regel nicht. Eher störte ihn da schon, dass sich Natasha selbst als Flittchen bezeichnete. Unwillkürlich kam ihm die Situation in der Schule an diesem Tag in den Sinn, die beinahe in Gewalt ausgeartet wäre. Allein der Gedanke daran ließ ihn so wütend werden, dass er zunächst gar nicht mitbekam, dass die Mädchen nicht länger verbal aufeinander einprügelten.
    Natasha schlug ihm gegen die Schulter. »Hey.«
    Mark schüttelte heftig den Kopf. »Was?«
    »Was ist los mit dir?«
    »Hä? Was meinst du?«
    Natasha legte die Stirn in Falten. »Du hattest so einen irren Blick in den Augen. Als wolltest du jemand totschlagen.«
    Fiona grinste und wippte auf den Absätzen nach hinten. »Ja, Mann. Eine Sekunde lang hast du wie der verfickte Charlie Manson ausgesehen. Als könntest du jeden Moment durchdrehen und ein paar Schweine abstechen.«
    »Nein. Ich ...«
    »Denn ich muss dir sagen, Mann, damit könnte ich mich anfreunden.«
    Natasha lachte. »Scheiße, ja.«
    Mark schüttelte den Kopf. »Wag’s bloß nicht, solchen Mist in der Schule zu verbreiten.«
    Fiona verdrehte die Augen. »Genau. Ich bin ja so scharf drauf, von irgendeinem dämlichen, verfickten Bullen verhört zu werden, der glaubt, ich will ein Massaker an der Ransom High anrichten. Als ob ich jemandem davon erzähle, wenn ich so was abziehen will. Ich bin nicht blöd. Ich würde alles für mich behalten, eines Tages aufkreuzen, einfach losballern und alle völlig überraschen.«
    Eine unerwartete Stille trat ein.
    Fiona verdrehte erneut die Augen. »Hey, jetzt hört aber auf. Ich hab doch bloß Spaß gemacht.«
    Mark hustete. »Wie auch immer ...«
    Natasha ergriff seine Hand und steuerte mit ihm auf die Straße zu. »Von betretenem Schweigen werd ich immer sauer. Gehen wir und sehen uns das Haus an.«
    Zu dritt machten sie sich auf den Weg.

14
    Inzwischen befand sich Derek am Spring Circle, etwa einen Block von seinem Haus entfernt. Als er dort eintraf, ging er hinten herum und erklomm rasch den hohen Bretterzaun. Es fühlte sich eigenartig an, so deutlich vor seiner üblichen Zeit kurz vor Morgengrauen zurückzukommen. Es gefiel ihm nicht. Er schwang die Beine über die Oberkante des Zauns und ließ sich auf der anderen Seite zu Boden fallen. Laub knirschte unter seinen Füßen, als er geduckt landete. Schnell richtete er sich auf und setzte sich in Richtung des Schuppens am hinteren Ende des Gartens in Bewegung.
    Als er das Licht erblickte, das aus dem Zimmerfenster im ersten Stock fiel, hielt er inne.
    Scheiße .
    Einige Momente lang stand er vor Unentschlossenheit wie erstarrt da. Er zitterte, wodurch er sich wie ein Weichei fühlte. Aber er konnte nichts dagegen machen. Sie hatten ihn erwischt. Das war in all der Zeit, die er nachts um die Häuser zog, noch nie passiert. In diesem Augenblick, während er zitternd wie ein Hosenscheißer hier unten stand, warteten seine Eltern oben in seinem Zimmer vor dem leeren Bett. Derek hatte zwei Möglichkeiten. Er konnte entweder reingehen und sofort sein Fett abbekommen oder seinen Hintern über den Zaun schwingen und wie vom Teufel gehetzt zurück zum alten Haus rennen.
    Derek tendierte zu Letzterem. So konnte er eine weitere Nacht Spaß mit seinen Freunden haben, bevor seine Eltern das Fallbeil auf ihn herabsausen ließen. Er war stinksauer. Er stand kurz davor, das Einzige zu verlieren, das ihn am Durchdrehen hinderte, und er begriff nicht, wie es passiert war. Es gab keinen guten Grund für seine Eltern, um diese Zeit nachts nach ihm zu schauen. Aber egal. Das spielte keine Rolle mehr. Es war passiert und auf die eine oder andere Weise musste er mit den Konsequenzen leben.
    Ihm kam der Gedanke, dass es eine dritte Möglichkeit gab, eine Variation der zweiten.
    Er löste den Blick vom hellen Rechteck im ersten Stock und ließ ihn stattdessen zum Schuppen wandern. Der wurde so gut wie nie abgesperrt. Er konnte hineingehen, die Ausrüstung holen, die er brauchte, und dabei ein Minimum an Lärm verursachen. Das Risiko bestand allein darin, dass seine Eltern zum falschen Zeitpunkt zufällig aus dem Fenster schauten. Erwischt hatten sie ihn sowieso schon. Daran führte kein Weg mehr vorbei. Er dachte an das alte Haus mit den vernagelten Türen und Fenstern. Gut möglich, dass sich gar nichts im Inneren befand, aber vielleicht warteten dort auch echte Entdeckungen auf ihn. Jedenfalls empfand er die ganze Sache als Abenteuer, vermutlich das letzte,

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