Die Finsternis
Schulter nach hinten, wirbelte aber sofort wieder herum, als hätte sie irgendetwas gesehen. Ich versuchte, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, doch jetzt brauchte ich beide Hände, um das Floß neben dem Druckluftbehälter zu halten. Ich stupste sie mit dem Fuß an, doch sie schien vergessen zu haben, dass ich überhaupt da war. Sie drehte sich wieder um und starrte in die Dunkelheit. Auch wenn ihr Helmlicht voll aufgedreht war, konnte sie nicht besonders weit sehen. Mein Biosonar verriet mir jedoch, dass nichts in der Nähe war außer einer Schar Adlerrochen.
Eine echte Bedrohung ging nur von dem grünen U-Boot aus und nach einer Reihe weiterer Klicks sah ich, dass die Taucher den Anhänger jetzt am Heck befestigt hatten. Glücklicherweise war das Floß inzwischen fast vollständig aufgeblasen.
Als ich mich wieder zu Gemma umdrehte, schreckte ich kurz zurück. Sie zitterte am ganzen Körper, dann sackte sie auf den Boden und rollte sich im Schlamm zu einer Kugel zusammen. Das Floß zog mich von den Füßen, ich stützte mich am Kreuzer ab und langte nach Gemma, doch meine Fingerspitzen streiften nur ihren Oberschenkel. Sie bemerkte es nicht. Ich riss an der Leine, die uns miteinander verband, und weckte damit endlich ihre Aufmerksamkeit. Sie streckte ihre Hand nach mir aus und ich bekam sie zu fassen. Mit einem Ruck zog ich sie zu mir hoch und hielt sie fest.
Genau in diesem Moment sprang das Ventil von der Düse des Druckluftbehälters und das Floß brach nach oben aus, wobei es mir fast den Arm ausgekugelt hätte. Unser gemeinsames Gewicht verlangsamte zwar den Auftrieb des Floßes, doch es stieg unaufhaltsam weiter auf. Mit geschlossenen Augen schlang Gemma ihre Arme um meinen Hals. Ihr Helm war an meinen gedrückt und ich sah, wie sich ihre Augen unter den Lidern bewegten, als hätte sie einen Albtraum. Sie öffnete nicht einmal die Augen, als wir mitten durch einen Thunfischschwarm gezogen wurden. Ich hielt sie noch fester, während uns die Fische – von denen jeder wenigstens zweihundert Kilogramm auf die Waage brachte – in einem Gestöber aus blauen Leibern und gelben Flossen hin und her stießen. Als wir dem Schwarm endlich entkommen waren, erspähte ich die ersten Sonnenstrahlen, die das dunkle Wasser durchdrangen. Halte durch , dachte ich im Stillen. Wir haben es fast geschafft.
Sowie das Floß die Wellen durchbrochen hatte, hievte ich Gemma an Bord. Als ich mich ebenfalls hineingezogen hatte, lag sie schon wieder zusammengerollt am Boden.
»Gemma«, sagte ich, sowie das Liquigen aus meiner Lunge entwichen war. »Wir sind nicht mehr im Wasser.«
Ihr Helm war immer noch luftdicht verschlossen, doch sie schüttelte nur den Kopf, als würde sie ein furchtbares Bild loswerden wollen. Ich zog ihre Hände vom Plexiglas und mühte mich damit ab, die Verriegelung zu lösen. Sofort brach sie in ersticktes Schluchzen aus.
»Atme!«, rief ich, obwohl ich wusste, dass es nicht das Liquigen war, das die Luft davon abhielt, in ihre Lunge zu strömen. Ich warf ihren Helm beiseite und nahm ihr Gesicht in meine Hände. »Es geht dir gut. Wir sind im Floß.«
Sie blinzelte mich an, drängte sich an mir vorbei und beugte sich über den Rand, um sich zu übergeben. Ich hielt ihr Haar zurück und wünschte, ich hätte mehr für sie tun können. Als der Brechreiz vorüber war, spülte sie sich den Mund wieder und wieder mit Meerwasser aus. Dann setzte sie sich auf und stieß mich mit zitternden Händen von sich.
»Ich werde nie wieder einen Fuß ins Meer setzen«, sagte sie keuchend.
»War es so schlimm wie beim letzten Mal?«
Ohne ein Wort kroch sie ein Stück von mir weg, hockte sich in eine Ecke des Floßes und schlang die Arme um ihre Knie.
»Gemma, ich glaube nicht, dass du verrückt bist. Wirklich nicht.«
»Das spielt keine Rolle«, sagte sie. »Ich will dich nicht mehr sehen.«
»Wovon redest du?«
»Ich werde für immer in der Handelsstation bleiben.«
»Auch wenn das wahr ist, werde ich dich dort besuchen.«
Sie sah mich todtraurig an. »Sicher, toller Plan«, sagte sie schließlich.
Warum hatte ich das Gefühl, dass sie mich zurechtwies? Als wäre ich zu dumm zu erkennen, dass das auf Dauer unmöglich war. »Es tut mir leid. Ich hätte dich heute nicht mitnehmen dürfen.«
»Es ist nicht deine Schuld.« Sie streckte die Beine aus und tat plötzlich, als sei nichts gewesen. »Wie kommen wir jetzt hier weg?«
»Unsere Taucheranzüge haben Peilsender.«
Sie nickte und schien sich zu
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