Die Firma
Moment. Es flössen noch mehr Tränen. An der Juristischen Fakultät von Chicago würde ein Stipendium unter seinem Namen eingerichtet werden. Die Firma würde einen Treuhandfonds für die Au s bildung seiner Kinder gründen. Für die Familie würde gesorgt werden. Beth biß sich auf die Unterlippe, weinte aber lauter. Die erfahrenen, zähen und hartgesottenen Unterhändler der großartigen Firma Bendini schluckten hastig und vermieden es, sich gegenseitig anzusehen. Nur Nathan Locke war ungerührt. Er funkelte mit seinen durchdringenden Laseraugen die Wand an und ignorierte die Zeremonie.
Dann das Porträt von Joe Hodge und eine ähnliche Biographie, ein ähnliches Stipendium und ein ähnlicher Treuhandfonds. Mitch hatte gerüchteweise gehört, daß Hodge vier Monate vor seinem Tod eine Lebensversicherung über zwei Millionen Dollar abgeschlossen hatte.
Als die Nachrufe beendet waren, verschwand Nathan Locke.
Die Anwälte umringten die Witwen, sprachen ihnen leise ihr Beileid aus und umarmten sie. Mitch kannte sie nicht und hatte nichts zu sagen. Er wanderte zu der Wand und betrachtete die Gemälde. Neben denen von Kozinski und Hodge hingen drei kleinere, aber nicht minder würdevolle Porträts. Das der Frau erregte seine Aufmerksamkeit Auf der Messingplakette stand:
»Alice Knauss 1948-1977«
»Sie war ein Irrtum«, sagte Avery leise, der neben seinen Mitarbeiter getreten war.
»Wie meinen Sie das?« fragte Mitch.
»Typische Anwältin. Kam von Harvard, wo sie in ihrem Jahrgang die Nummer Eins gewesen war. Hat immer darunter gelitten, daß sie eine Frau war. Hielt alle Männer für Sexisten und war überzeugt, daß es ihre Mission wäre, der Diskriminierung ein Ende zu bereiten. Ein unausstehliches Weib. Nach sechs Monaten haßten wir sie alle, konnten sie aber nicht loswerden. Sie zwang zwei Partner zum vorzeitigen Ausscheiden. Milligan behauptet noch heute, sie wäre an seiner Herzattacke schuld gewesen. Er war ihr Partner.«
»War sie eine gute Anwältin?«
»Eine vorzügliche, aber es war unmöglich, ihre Talente zu würdigen. Sie war ungeheuer streitsüchtig.«
»Was ist mit ihr passiert?«
»Verkehrsunfall. Sie wurde von einem betrunkenen Fahrer umgebracht. Es war wirklich tragisch.«
»War sie die erste Frau hier?«
»Ja, und auch die letzte, sofern man uns nicht verklagt.«
Mitch deutete mit einem Kopfnicken auf das nächste Porträt.
»Und wer war das?«
»Robert Lamm. Er war ein guter Freund von mir. Kam von der Emory Law School in Atlanta. Ist ungefähr drei Jahre vor mir eingetreten.«
»Was ist passiert?«
»Das weiß niemand. Er war ein begeisterter Jäger. In einem Winter haben wir zusammen in Wyoming Elche gejagt. 1972
war er auf Hirschjagd in Arkansas und verschwand. Einen Monat später wurde er in einer Schlucht gefunden, mit einer Schußwunde am Kopf. Die Autopsie ergab, daß die Kugel im Hinterkopf eingetreten war und ihm fast das ganze Gesicht weggerissen hatte. Man nimmt an, daß der Schuß von einem Hochleistungsgewehr aus großer Entfernung abgegeben wurde. Wahrscheinlich war es ein Unfall, aber genaueres werden wir nie erfahren. Ich konnte mir nie vorstellen, daß es j e manden geben könnte, der Bobby Lamm umbringen wollte.«
Das letzte Porträt war das von John Mickel, 1950-1984.
»Was ist mit ihm passiert?«
»Das dürfte der tragischste Fall sein. Er war kein sonderlich starker Mann, und der Druck hat ihn geschafft. Er hat eine Menge getrunken und angefangen, Drogen zu nehmen. Dann verließ ihn seine Frau, und sie hatten eine unerfreuliche Scheidung. Die Firma war peinlich berührt. Nachdem er zehn Jahre hier gewesen war, begann er zu fürchten, daß man ihn nicht zum Partner machen würde. Die Trinkerei wurde schlimmer. Wir gaben ein kleines Vermögen aus für Behandlung, Ps y chiater, alles mögliche. Aber es nützte nichts.
Er verfiel in Depressionen. Schließlich schrieb er einen sieben Seiten langen Selbstmordbrief und schoß sich eine Kugel in den Kopf.«
»Das ist ja entsetzlich.«
»Das war es in der Tat.«
»Wo hat man ihn gefunden?«
Avery räusperte sich und schaute sich schnell um. »In Ihrem Büro.«
»Was!«
»Ja, aber es ist saubergemacht worden.«
»Machen Sie Witze?«
»Nein. Es ist mein voller Ernst. Es ist viele Jahre her, und das Büro ist seither immer benutzt worden. Das ist okay.«
Mitch war sprachlos.
»Sie sind doch nicht abergläubisch, oder?« fragte Avery mit einem unerfreulichen Grinsen.
»Nein, natürlich nicht.«
»Ich
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