Die Firma
begnügt er sich mit fünf oder sechs Stunden. Sonntags reserviert er ein bißchen Zeit für mich.«
»Höre ich da einen Anflug von Frustration?«
»Eine ganze Menge Frustration, Kay. Ich habe Geduld gehabt, aber es wird immer schlimmer. Allmählich komme ich mir vor wie eine Witwe. Ich habe es satt, auf der Couch zu schlafen und darauf zu warten, daß er heimkommt«
»Sie sind nur fürs Essen und den Sex da, stimmt's?«
»Wenn es nur so wäre. Er ist zu müde für Sex. Der steht nicht mehr im Vordergrund. Und das bei einem Mann, der nie genug kriegen konnte. Während des Studiums haben wir uns beinahe gegenseitig umgebracht. Und jetzt - einmal in der Woche, wenn ich Glück habe. Er kommt heim, ißt, wenn er dafür noch genügend Energie aufbringen kann, und geht zu Bett. Wenn ich sehr viel Glück habe, dann unterhält er sich noch ein paar Minuten mit mir, bevor er einschläft. Ich bin regelrecht ausgehungert nach Gesprächen mit Erwachsenen.
Ich verbringe jeden Tag sieben Stunden mit Achtjährigen, und ich sehne mich nach Worten mit mehr als zwei Silben. Ich versuche, ihm das zu erklären, und er schnarcht. Haben Sie das mit Lamar auch durchgemacht?«
»So ziemlich. Im ersten Jahr hat er siebzig Stunden in der Woche gearbeitet. Ich nehme an, das tun sie alle. Das ist so eine Art Aufnahmeritual in die Bruderschaft. Ein Männerritual, bei dem man seine Männlichkeit beweisen muß. Aber den meisten von ihnen geht nach ungefähr einem Jahr der Sprit aus, und sie reduzieren auf sechzig oder fünfundsechzig Stunden. Sie arbeiten auch weiterhin schwer, aber nicht mehr auf die selbstmörderische Art des ersten Jahres.«
»Arbeitet Lamar jeden Samstag?«
»Fast jeden, ein paar Stunden. Sonntags nie. Da habe ich ein Machtwort gesprochen. Natürlich, wenn irgendein wichtiger Termin eingehalten werden muß und in der Zeit, in der die Steuere r klärungen abgegeben werden müssen, da arbeiten sie alle rund um die Uhr. Ich glaube, sie wundern sich über Mitch.«
»Er läßt es überhaupt nicht langsamer gehen. Er ist regelrecht besessen. Gelegentlich kommt er erst heim, wenn es Tag wird. Dann geht er nur schnell unter die Dusche, und dann fahrt er wieder ins Büro.«
»Lamar sagt, er ist schon jetzt eine Legende im Haus.«
Abby trank einen Schluck Wein und schaute über das Geländer hinunter zur Bar. »Wie schön. Ich bin mit einer Legende verheiratet.«
»Haben Sie schon an Kinder gedacht?«
»Dazu gehört Sex, wie Sie wissen.«
»So schlimm kann es doch nun wirklich nicht sein, Abby.«
»Ich bin noch nicht bereit für Kinder. Ich kann den Gedanken, eine alleinstehende Mutter zu sein, nicht ertragen. Ich liebe meinen Mann, aber an diesem Punkt seines Lebens würde er wahrscheinlich eine wichtige Konferenz haben und mich im Kreißsaal alleinlassen. Er denkt an nichts anderes als an diese verdammte Firma.«
Kay langte über den Tisch und ergriff sanft Abbys Hand.
»Das kommt alles wieder ins Lot«, sagte sie mit entschlossenem Lächeln und wissendem Blick. »Das erste Jahr ist das schlimmste. Es wird besser, das verspreche ich.«
Abby lächelte. »Tut mir leid.«
Der Kellner kam mit ihrem Essen, und sie bestellten mehr Wein. Die Scampi bruzzelten in der Butter-und-Knoblauch-Sauce und verströmten ein köstliches Aroma. Die kalte Quiche lag einsam auf einem Bett aus Salatblättern, und daneben ein ebenso einsames Stück Tomate.
Kay zog ein Stück Brokkoli heraus und kaute darauf herum.
»Sie wissen, Abby, die Firma ist sehr für Kinder.«
»Das ist mir egal. Im Augenblick hasse ich die Firma. Ich konkurriere mit der Firma, und ich ziehe den Kürzeren. Deshalb ist mir völlig egal, was sie will. Sie wird nicht für mich meine Familie planen. Ich verstehe ohnehin nicht, weshalb sie dermaßen an Dingen interessiert ist, die sie nichts angehen.
Dieser Laden ist irgendwie unheimlich, Kay. Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt, aber diese Leute bewirken, daß ich eine Gänsehaut bekomme.«
»Sie wollen glückliche Anwälte mit stabilen Familien.«
»Und ich will meinen Mann wiederhaben. Sie sind dabei, ihn mir wegzunehmen, also ist die Familie keineswegs stabil. Wenn sie ihm nicht ständig im Genick sitzen würden, könnten wir vielleicht ein normales Leben führen und einen ganzen Stall voller Kinder bekommen. Aber jetzt noch nicht.«
Der Wein kam, und die Scampi kühlten ab. Sie aß sehr langsam und trank ihren Wein. Kay suchte nach einem weniger verfänglichen Thema.
»Lamar sagte, Mitch wäre
Weitere Kostenlose Bücher