Die Flamme erlischt
erschienen sie wie Bruchstücke eines längst vergessenen Traumes. Einst erschienen sie ihm aus irgendeinem unerfindlichen Grunde wichtig. Aber zu jener Zeit waren er, Gwen und die Welt anders beschaffen, und jetzt fiel es schwer, sich daran zu erinnern, welche mögliche Bedeutung diese metallenen Geister wohl gehabt hatten.
»Sie sind schon einmal hier gewesen«, sagte Vikary. Dirk sah ihn an und nickte. »Dann gehen Sie voran«, befahl der Kavalare. »Ich ...«
Aber Vikary war schon aufgestanden. Er hatte Gwen vorsichtig vom Rücksitz gehoben und stand wartend da. »Gehen Sie voran«, wiederholte er.
Dirk führte ihn aus der Landeschleuse in jene Gänge hinein, wo die grauweißen Wandbilder zur Symphonie von Dunkeldämmerung tanzten. Sie öffneten Tür um Tür, bis sie schließlich ein Zimmer fanden, das noch eine Einrichtung aufwies. Es war in Wirklichkeit eine Suite von vier miteinander verbundenen Räumen, alle sehr hoch, langweilig und weit davon entfernt, sauber zu sein. Die Betten – zwei der Räume waren Schlafzimmer – bestanden aus kreisförmigen, tief in den Fußboden eingelassenen Löchern, ausgepolstert mit je einer einteiligen Matratze und mit saumlosem, öligem Leder überzogen, das leicht unangenehm nach saurer Milch roch. Aber es waren Betten, weich genug und ideal zum Ausruhen. Vikary setzte Gwens schlaffen Körper vorsichtig ab. Als sie bequem lag – sie sah fast heiter aus –, ließ Jaan Dirk am Bettrand auf dem Fußboden neben ihr sitzen und ging hinaus, um den von ihnen gestohlenen Gleiter zu durchsuchen. Kurz darauf kam er mit einer Decke für Gwen und einer Feldflasche zurück.
»Trinken Sie nur einen kleinen Schluck«/ sagte er zu Dirk und reichte ihm die Flasche.
Dirk nahm den stoffüberzogenen Metallbehälter entgegen, schraubte den Verschluß ab und tat einen einzigen kurzen Schluck. Dann gab er den Behälter zurück. Die Flüssigkeit war lauwarm und schmeckte entfernt bitter, aber es fühlte sich sehr gut an, wie sie seinen trockenen Hals benetzte.
Vikary goß Wasser auf einen grauen Tuchstreifen und begann damit, Gwens Hinterkopf vom getrockneten Blut zu säubern. Er benetzte den Fetzen immer wieder und tupfte überaus sanft gegen die rotbraune Kruste, bis diese sich schließlich löste, und ihr feines schwarzes Haar wieder sauber als glänzender Fächer auf der Matratze im unregelmäßigen Licht der Wandspiele schimmerte. Als er damit fertig war, legte er einen Verband an und wandte sich Dirk zu. »Ich werde Wache halten«, sagte er. »Gehen Sie in das andere Zimmer und legen Sie sich schlafen.«
»Wir sollten miteinander reden«, meinte Dirk zögernd. »Später. Nicht jetzt. Gehen Sie und schlafen Sie sich aus.« Dagegen konnte Dirk kaum etwas einwenden, sein Körper gehorchte ihm fast nicht mehr, und die Kopfschmerzen hatten auch nicht nachgelassen. Er ging in das andere Zimmer und ließ sich ungraziös auf die säuerlich riechende Matratze fallen.
Aber trotz seiner Müdigkeit kam der Schlaf nicht sofort. Vielleicht waren es die Kopfschmerzen, vielleicht war es die unregelmäßige Lichtbewegung innerhalb der Wände, die ihn durch seine geschlossenen Lider hindurch verfolgte. In erster Linie war es jedoch die Musik. Sie blieb ständig bei ihm und schien eher noch lauter zu werden, wenn er die Augen schloß, so, als würde diese Handlung sie in seinem Schädel einschließen: ein dünnes Pfeifen, Flöten und Heulen und noch immer - ohne je enden zu wollen - der dumpfe Ton der einsamen Pauke. Fieberträume beherrschten diese endlose Nacht – surreale Visionen, die ihm unter die Haut gingen und ihn in Angstschweiß badeten. Dreimal wurde Dirk aus seinem leichten Schlaf gerissen. Zitternd, mit feuchtkalter Haut, erhob er sich und stellte sich dem Lied von LamiyaBailis, ohne daß er wußte, was an der Musik ihn wachgerüttelt hatte. War er dann wach, glaubte er aus dem anderen Raum Stimmen zu hören. Einmal glaubte er sich sogar ziemlich sicher zu sein, Jaan Vikary an der gegenüberliegenden Wand sitzen und ihn beobachten zu sehen. Keiner von beiden sprach, und Dirk brauchte fast eine Stunde, um wieder einschlafen zu können. Nur, um wenig später erneut von einem leeren, widerhallenden Zimmer und den Lichtspielen geweckt zu werden. Einen Moment lang fragte er sich, ob sie ihn wohl hier auf Gedeih und Verderb zurückgelassen hatten, und je mehr er daran dachte, desto größer wurde seine Angst und desto schlimmer sein Zittern. Aber irgendwie war es ihm unmöglich, aufzustehen
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