Die Flamme erlischt
sich an und schaltete den Antischwerkraftgenerator ein. Der Gleiter hob vom Boden ab. Er schaukelte zwar ein wenig, aber er gewann an Höhe. Er umfaßte den Hebel, drückte ihn nach vorn – und dann befand er sich plötzlich draußen, zwischen Himmel und Erde.
Ein fürchterlicher Schreck durchzuckte ihn. Wenn der Generator nicht stark genug aufgeladen war, würde es überhaupt kein Flug werden, sondern ein taumelnder Sturz, dem moosbedeckten Boden unter ihm entgegen. Als er die Schleuse passiert hatte, ruckte der Gleiter und sackte mit alarmierender Geschwindigkeit weg. Aber nur für einen Moment, dann stabilisierte sich die Leistungsabgabe des Generators, und Dirk ritt auf den singenden Winden höher. Das einzige, was sich jetzt noch drehte, war sein Magen.
Dirk gewann ständig an Höhe. Er versuchte, den kleinen Gleiter so hoch wie möglich zu fliegen. Vor ihm lag das Bergmassiv, und darüber hieß es hinwegzukommen. Abgesehen davon verspürte er keine große Lust, anderen nächtlichen Fliegern zu begegnen. In großer Höhe, ohne Licht fliegend, konnte er jeden anderen Gleiter unter sich sofort bemerken und hatte dabei gute Chancen, von anderen nicht gesehen zu werden. Er sah sich nicht nach Kryne Lamiya um, denn er fühlte die Stadt hinter sich, fühlte, wie sie ihn trieb, wie sie seine Ängste von ihm wusch. Furcht war ein närrisches Gefühl. Ihm konnte nichts etwas anhaben, der Tod am allerwenigsten. Selbst als die Sirenenstadt mit ihren weißen und grauen Lichtern verschwunden war, blieb die Musik in seinen Ohren. Sie wurde zwar ständig leiser, war aber immer bei ihm und verlor nichts an Eindringlichkeit. Einen Ton, ein dünnes, schwankendes Pfeifen, hörte er länger als alles andere. Dreißig Kilometer von der Stadt entfernt, war es zusammen mit dem tieferen Heulen des Windes immer noch zu vernehmen. Schließlich wurde ihm bewußt, daß dieses Geräusch von seinen eigenen Lippen stammte.
Er hörte auf zu pfeifen und versuchte, sich auf den Flug zu konzentrieren.
Er war noch keine Stunde in der Luft, da erhob sich die Bergwand vor ihm – oder besser unter ihm, denn zu dieser Zeit flog er schon beträchtlich hoch und fühlte sich den Sternen und den nadelspitzen kleinen Galaxien über sich näher als den Wäldern weit unter ihm. Der Wind war lauter geworden. Schrill und wütend erzwang er sich seinen Weg durch die haarfeinen Ritzen an der Tür, aber Dirk ignorierte ihn. Dort, wo die Berge in die Wildnis übergingen, sah er das Licht. Er legte den Gleiter schräg, begann zu kreisen und langsam hinunterzugehen. Auf dieser Seite der Berge durfte es keine Lichter geben. Was immer es auch war – es mußte untersucht werden. Er flog spiralenförmig abwärts, bis er sich genau über dem Licht befand, dann bremste er den Gleiter ab. Einen Augenblick lang schwebte er unbeweglich, bis er die Leistung des Schwerkraftneutralisators verminderte. Unendlich langsam sank er hinab, wobei er in seiner Flugmaschine sanft vom Wind geschaukelt wurde.
Unter ihm waren mehrere Lichter. Die Hauptlichtquelle rührte von einem Feuer her. Das konnte er jetzt mit Sicherheit behaupten, denn er sah, wie es flackerte und waberte, als der Wind die Flammen mal in diese, mal in jene Richtung trieb. Aber dort unten gab es auch noch . kleinere Lichter – künstliche, in gleichbleibender Stärke schimmernde Leuchtpunkte. Nicht weit von dem Feuer bildeten sie in der Schwärze einen Kreis. Einen Kilometer mochten sie entfernt sein, schätzte er, vielleicht sogar weniger. Die Temperatur in der engen Kabine begann zu steigen, und Dirk fühlte Schweiß auf seiner Haut, der sich unter der schweren Jacke in seine Kleidung sog. Rauch machte ihm ebenfalls zu schaffen, rußschwarze Wolken erhoben sich vom Feuer und beeinträchtigten seine Sicht. Ärgerlich steuerte er den Gleiter aus dem aufsteigenden Rauch heraus und ließ ihn etwas seitlich vom Feuer niedersinken. Grüßend loderten die Flammen zu ihm hoch, lange orangefarbene Zun- gen, die grell aus dem Rauch hervorstachen. Er sah auch Funken, glimmende Holzscheite oder etwas Ähnliches. Das Feuer sprühte sie wie einen heißen, gleißenden Regen aus, der in die Schwärze der Nacht hinaufschoß und dann verschwand. Als er noch tiefer sank, wurde ihm ein weiteres Schauspiel geboten. Plötzlich prasselte es unter ihm auf, und blauweiße Flammen breiteten sich schlagartig aus. Ganz kurz roch es scharf nach Ozon, dann war wieder alles vorüber. Dirk hielt den Gleiter regungslos in der Luft. Das
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