Die Flamme erlischt
Lichtemission in der Luft. Er bewegte das Gewehr leicht hin und her, und der bleistiftdünne Strahl bewegte sich mit. Als er erloschen war und seine Augen sich wieder an die normale Helligkeit gewöhnt hatten, sah er, daß er ein unregelmäßiges Loch ins Fenster gebrannt hatte. Der Wind pfiff laut herein und steuerte eine seltsame Dissonanz zur Musik von Lamiya-Bailis bei. Gwen kletterte schwankend aus ihrem Bett. »Dirk? Was ist los?« Er zuckte unschuldig die Achseln und senkte das Gewehr. »Mann!« rief sie. »Was machst du da?«
»Ich wollte nur herausfinden, ob ich damit umgehen kann«, erklärte er. »Ich ... ich gehe ebenfalls.«
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Warte, ich suche nur eben meine Stiefel.«
Er schüttelte den Kopf.
»Du auch?« Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich, entstellte sie. »Ich muß nicht beschützt werden, verdammt noch mal.« »Das ist es nicht«, sagte er.
»Falls das so eine idiotische Geste sein soll, um dich in meinen Augen zum Helden aufzuspielen, so wirst du damit kein Glück haben«, sagte sie und stemmte die Hände in die Hüften.
Er lächelte. »Das hier, Gwen, ist eine idiotische Geste, um mich in meinen eigenen Augen zum Helden zu machen. Deine Augen ... deine Augen sind nicht mehr wichtig.« »Was soll es dann?«
Unentschlossen wog er das Gewehr in den Händen. »Ich weiß nicht«, gab er zu. »Vielleicht, weil ich Jaan gern habe und in seiner Schuld stehe. Vielleicht will ich ihm zeigen, daß ich für ihn noch nicht abgeschrieben bin, obwohl ich davonlief, als er mich zum keth gemacht hatte.«
»Dirk«, begann sie. Eine Handbewegung brachte sie zum Verstummen. »Ich weiß ... aber das ist noch nicht alles. Vielleicht will ich nur zu Ruark. Vielleicht ist es auch deshalb, weil es in Kryne Lamiya mehr Selbstmörder gab als in jeder anderen Stadt, und ich einer davon bin. Aus dem Genannten kannst du dir selbst ein Motiv wählen, Gwen.« Die Spur eines Lächelns hellte sein Gesicht auf. »Man sieht nur zwölf Sterne am Himmel, möglicherweise ist das der Grund. Es spielt überhaupt keine Rolle, oder?« »Was kannst du schon ausrichten?«
»Wer weiß? Es ist doch ohnehin egal. Oder kümmert es dich, Gwen? Kümmert es dich wirklich?« Er schüttelte den Kopf. Die ruckartige Bewegung ließ ihm die Haare ins Gesicht fallen, so daß er innehalten mußte, um sie sich aus den Augen zu streichen. »Mir ist es gleich, ob es dich kümmert«, sagte er mit Nachdruck. »In Challenge sagtest du direkt oder indirekt, daß ich selbstsüchtig sei. Nun, vielleicht war ich das. Und vielleicht bin ich es jetzt noch. Dennoch werde ich dir etwas sagen. Was immer ich von jetzt an tun werde, ich werde dabei nicht zuerst an deine süße Umarmung denken, Gwen. Ist das klar?«
Als ein letzter Satz war das ausgezeichnet, aber im Türrahmen wurde er wieder weich, zögerte, wandte sich um. »Bleib hier, Gwen. Bitte, bleib. Du bist noch verletzt. Jaan sagte etwas von einer Höhle, für den Fall, daß du fliehen mußt. Weißt du etwas darüber?« Sie nickte. »Also, wenn du flüchten mußt, dann dorthin. Sonst bleibst du hier.« Er winkte ihr ein tapsiges Lebewohl mit dem Gewehr, drehte sich um und ging ein bißchen zu schnell fort.
Unten in der Landeschleuse waren die Wände wieder nur Wände – keine Geister, keine Farbspiele, keine Lichter. Im Dunkeln wäre Dirk fast über den gesuchten Gleiter gestolpert. Während seine Augen sich den veränderten Lichtverhältnissen anpaßten, tastete er sich hinein. Der herrenlose Gleiter war kein Erzeugnis von Hoch Kavalaan. Bei ihm handelte es sich um einen engen Zweisitzer, eine schwarzsilberne Träne aus Kunststoff und Leichtmetall. Das Fahrzeug wies natürlich überhaupt keine Panzerung auf und war nur mit einer Waffe ausgestattet: dem Lasergewehr, das quer über seinem Schoß lag.
Der Gleiter war nur eine Idee lebendiger als der Rest auf Worlorn, aber dieser Funke mehr reichte aus. Als er den Anlasserknopf eindrückte, erwachte der Wagen zum Leben. Die Instrumente erhellten das Kabineninnere mit ihrem schwachen Leuchten. Rasch aß er einen Proteinriegel und studierte die Armaturen. Die Energieanzeige stand niedrig, zu niedrig, aber es mußte reichen. Er würde die Scheinwerfer nicht einschalten, sondern im Sternenlicht fliegen, auf die Gefahr hin, daß er dann kaum etwas sah. Auf die Heizung konnte er ebenfalls verzichten, solange ihn die Lederjacke vor der schneidenden Kälte schützte. Dirk zog schwungvoll die Schiebetür herab, schnallte
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