Die Flamme erlischt
entstammten alle dem Samen von Kay und Roland. Sie waren heißblütig, gefährlich und von starker Willenskraft. Oft gab es Streit. Ein Sohn, der verschlagene und hinterlistige John Kohlen-Schwarz, tötete gewohnheitsmäßig seine kethi, seine Festhaltbrüder, in Eifersuchtsanfällen, weil er nicht so gut jagen konnte wie sie. Dann fiel er über ihre Körper her und fraß sie auf, weil er auf diese Weise ihre Stärke und ihre Fertigkeiten zu erlangen trachtete. Eines Tages fand ihn Roland bei einem solchen Mahl. Er schlug das Kind mit einem großen Dreschflegel und jagte es über die Berge. Danach kehrte John nicht nach Eisenjade zurück, sondern gründete in einem Kohlenbergwerk seinen eigenen Festhalt und nahm einen Dämon zum teyn. Das war der Ursprung der kannibalischen Hochleibeigenen des Tiefkohlenhorts.
Auf ähnliche Weise wurden auch andere Festhalte gegründet, obgleich die Geschichtsschreibung von Eisenjade den anderen Rebellen erheblich mehr Platz einräumt als dem Schwarzen John. Roland und Kay waren strenge Herren, unter denen sich nicht leicht leben ließ. Shan, der Schwertkämpfer beispielsweise, war ein guter, starker Junge, der nach einem wilden Kampf mit Kay, der sein Jade-und-Silber nicht anerkennen wollte, mit teyn und betheyn von dannen zog. Shan war der Gründer des Shanagate-Trutzes. Eisenjade erkennt seine Nachkommenschaft als vollständig menschlich an und hat darüber nie anders gedacht. So war es mit fast allen großen Festhalten. Jene, die ausstarben wie der Tiefkohlenhort, kamen in den Legenden schlechter weg. Diese Legenden sind recht ausführlich, und viele sind amüsant. Da ist zum Beispiel die Geschichte der ungehorsamen kethi. Die ersten Eisenjade wußten, daß ein Mann nur unter Fels eine rechte Wohnung haben kann, in einem Bollwerk aus Stein, einer Höhle oder einem Stollen. Diejenigen jedoch, welche später kamen, glaubten das nicht. Ihren naiven Augen erschienen die Ebenen offen und einladend, so gingen sie mit ihren eynkethi und den Kindern hinaus und errichteten hohe Städte. Ihr Wahn sollte bestraft werden. Feuer fiel vom Himmel und vernichtete sie, verbog und schmolz die Türme, die sich emporgereckt hatten, verbrannte die Stadtmenschen und ließ die Überlebenden in Panik unter die Erde flüchten, wohin die Flammen sie nicht verfolgen konnten. Und als ihre eyn-kethi niederkamen, waren die Kinder zu Dämonen geworden und nicht mehr dem Menschen gleich. Manchmal fraßen sie sich ihren Weg aus der Gebärmutter frei.«
Vikary hielt inne, um aus seinem Krug zu trinken. Dirk, der sein Frühstück fast beendet hatte, warf einige Krümel Käse achtlos auf seinen Teller und zog die Stirn in Falten. »Das ist alles faszinierend«, sagte er, »aber ich fürchte, ich sehe die Verbindung zu unserem Problem nicht.«
Vikary trank noch einmal und nahm einen schnellen Bissen Käse. »Nur Geduld«, meinte er.
»Dirk«, sagte Gwen gequält, »die Geschichtsschreibung der vier überlebenden Festhaltkoalitionen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht, aber zu zwei großen Ereignissen gibt es übereinstimmende Berichte. Das sind die Meilensteine der kavalarischen Mythen. Alle besitzen sie eine Version der letzten Geschichte – dem Brand der Städte. Man nennt sie Zeit des Feuers und der Dämonen. Eine spätere Geschichte, die Leidbringende Plage, existiert ebenfalls, beinahe Wort um Wort identisch, in jedem Festhalt.«
»Das ist wahr«, sagte Vikary. »Diese Geschichten – sie waren die einzigen Zeugnisse früherer Tage, die man mir zur Arbeit an die Hand gab. Zur Zeit meiner Geburt glaubte kein geistig normaler Kavalare auch nur eine davon.«
Gwen hüstelte höflich. Vikary warf ihr einen Seitenblick zu und lächelte. »Ja, Gwen verbessert mich«, sagte er, »wenige geistig normale Kavalaren glaubten sie.« Dann fuhr er fort: »Aber die Zweifler hatten nichts, das sie glauben konnten, es stand keine alternative Wahrheit zur Auswahl. Den meisten machte das nicht sehr viel aus. Als der Sternenflug wieder aufgenommen wurde und die Wolfmenschen, Toberianer und später die Kimdissi nach Hoch Kavalaan kamen, fanden sie uns begierig vor, die verlorenen Künste der Technologie wieder zu erlernen. Und das lehrten sie uns als Ausgleich für unsere Schmuckstücke und Schwermetalle. Bald hatten wir auch Sternenschiffe, aber noch immer keine Geschichte.« Er lächelte. »Während meiner Studien auf Avalon fand ich einige Wahrheiten über uns heraus. Es war wenig genug, und doch reichte es aus. In
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