Die Flamme erlischt
Jahrhundert später wieder auf. Die Minen werden zu den ersten Festhalten, andere baut man später tief in die Berge hinein. Ohne Rückhalt aus den Städten fallen die Bergarbeiter in ein primitiveres technologisches Entwicklungsstadium zurück, und schon bald etabliert sich eine autoritäre, auf das nackte Überleben ausgerichtete Kultur. Generationenlang führen sie untereinander und gegen die Sklavenrassen Krieg. Zur gleichen Zeit beginnen sich unter den radioaktiven Ruinen der Städte menschliche Mutationen zu regen ...«
Jetzt stand Dirk auf. »Jaan«, sagte er.
Vikary unterbrach sein würdevolles Schreiten, wandte sich um und sah Dirk fragend an.
»Bisher habe ich mich mühsam zurückgehalten«, platzte Dirk heraus. »Und ich will auch gern glauben, daß dies alles für Sie von enormer Wichtigkeit ist. Schließlich ist es ihre Forschungsarbeit. Aber ich hätte gerne einige Fragen beantwortet bekommen – und zwar sofort.« Er hob die Hand und zählte die Fragen an den Fingern ab. »Wer ist Lorimaar? Was wollte er? Und warum muß ich vor ihm geschützt werden?« Gwen erhob sich ebenfalls. »Dirk«, begann sie, »Jaan liefert dir doch nur die Hintergrundinformationen, die du zum Verständnis der Sachlage benötigst. Sei nicht so ...«
»Nein!« Vikary brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Nein, t'Larien hat recht, ich werde immer zu enthusiastisch, wenn ich von diesen Dingen rede. Deshalb werde ich Ihnen jetzt direkt antworten«, sagte er und wandte sich wieder Dirk zu. »Lorimaar ist ein äußerst konservativer und den Traditionen verbundener Kavalare. Er ist derart konservativ, daß er nicht mehr in die Gesellschaft paßt und selbst auf Hoch Kavalaan ein Außenseiter ist. Er kommt aus einem anderen Zeitalter. Erinnern Sie sich an den gestrigen Morgen, als ich Ihnen meine Anstecknadel gab? Als Garse und ich unsere Besorgnis zum Ausdruck brachten, was Ihre Sicherheit nach Tagesanbruch betrifft?« Dirk nickte. Er faßte an seinen Kragen und berührte die sorgfältig angesteckte Nadel. »Ja.«
»Lorimaar Hoch-Braith und andere seiner Art waren der Anlaß für unsere Besorgnis, t'Larien. Die Gründe hierfür sind nicht einfach zu erklären.«
»Vielleicht sollte ich es einmal versuchen«, warf Gwen ein. »Durch die Jahrhunderte hindurch haben sich die hochleibeigenen Kavalaren, die Angehörigen des Festhaltvolkes, immer gegenseitig geachtet... O ja, sie kämpften und trugen so viele Kriege aus, daß über zwanzig Festhalte und Koalitionen völlig zerstört wurden und nur die vier großen Festhalte der heutigen Zeit übrigblieben. Dennoch, trotz Haß und Gewalt respektierten die feindlichen Parteien einander als Menschen, die den Regeln des Hochkrieges und dem kavalarischen Duellkodex unterworfen waren. Aber es muß noch andere gegeben haben, verstehst du – versprengte Leute in den Bergen, Menschen, die unter den Ruinenstädten lebten, Bauern. Das sind nur Vermutungen von uns, aber es liegt auf der Hand, daß solche Leute existiert haben. Diese Überlebenden außerhalb der Bergwerkssiedlungen, die sich zu Festhalten wandelten, wurden von den Hochleibeigenen nicht als Männer und Frauen ihrer Art anerkannt, nicht einmal als Menschen zweiter Klasse. Jaan hat manches aus der geschichtlichen Entwicklung ausgelassen, verstehst du ... Oh, nicht so ungeduldig, mein Lieber. Ich weiß, die überlieferte Geschichte reicht weit zurück und wurde sehr knapp zusammengefaßt, aber die hier ausgesprochenen Einzelheiten sind sehr wichtig. Erinnerst du dich, daß die hranganischen Sklavenrassen den drei Dämonen aus den kavalarischen Mythen entsprechen sollen? Nun, der einzige Haken bei der Sache ist, daß es drei Sklavenrassen gibt oder gab, aber vier verschiedene Dämonen. Als die schlimmsten und gefährlichsten Dämonen galten die Spottmenschen.«
Dirk sah fragend auf. »Spottmenschen? Lorimaar nannte mich einen Spottmenschen. Ich dachte, das sei mehr oder weniger so etwas wie ein Nichtmensch.«
»Nein«, sagte Gwen. »›Nichtmensch‹ ist ein allgemein gebräuchlicher Begriff, das Wort ›Spottmensch‹ taucht dagegen nur auf Hoch Kavalaan auf. Sie waren Gestaltwandler, heißt es in den Legenden, Wermenschen und Lügner. Sie konnten jede gewünschte Gestalt annehmen, am häufigsten aber tauchten sie als Menschen auf und wollten die Festhalte infiltrieren. Einmal eingedrungen, konnten sie, als Menschen verkleidet, unerkannt zuschlagen und töten.
Jene anderen Überlebenden – die Bauern und die
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