Die Flamme erlischt
Bergbewohner, die Mutanten und die Unglücklichen, die anderen Menschen auf Cavanaugh –, sie alle betrachtete man als Spottmenschen und Wervolk. Man gab ihnen keine Chance, sich zu ergeben, die Regeln des Hochkrieges wandte man hier nicht an. Die Kavalaren trauten ihrer Menschlichkeit nicht und rotteten sie gnadenlos aus. Sie galten als exotische Tiere. Jahrhunderte nach den großen Ausrottungsaktionen machte man sich einen Sport daraus, die wenigen Überlebenden zu jagen. Die Festhaltmänner jagten immer zu zweit, teyn- und -teyn, so daß sie nach der Rückkehr gegenseitig ihre Taten bejubeln konnten.« Dirk sah bestürzt drein. »Ist das heute auch noch so?« Gwen zuckte die Schulter. »Es ist selten geworden. Moderne Kavalaren sehen die Sünden ihrer Geschichte ein. Noch bevor die Sternenschiffe kamen, ächteten Eisenjadeversammlung und Rotstahl, die progressivsten Koalitionen, die Jagd auf Spottmenschen. Bei den Jägern gab es einen bestimmten Brauch: Wenn sie den Wunsch verspürten, einen Spottmenschen nicht sofort zu töten – etwa weil sie ihn als persönliche Beute für später aufheben wollten –, brandmarkten sie ihn als korariel. Niemand anders legte dann Hand an ihn, es sei denn, der Betreffende wollte ein Duell riskieren. Die kethi von Eisenjade und Rotstahl machten sich auf und trieben alle Spottmenschen zusammen, derer sie habhaft werden konnten. Dann siedelte man sie in Dörfern an und versuchte, sie aus der Barbarei zurück in die Zivilisation zu führen. Alle, die man fing, nannte man korariel. Es kam deswegen zu einem kurzen Hochkrieg zwischen Eisenjade und Shanagate. Eisenjade gewann, und das Wort korariel nahm die neue Bedeutung ›beschütztes Eigentum‹ an.« »Und Lorimaar?« wollte Dirk wissen. »Was hat er mit der ganzen Sache zu tun?«
Sie lächelte boshaft und erinnerte ihn eine Sekunde lang an Janacek. »In jeder Kultur bleiben ein paar Unverbesserliche zurück, Fanatiker, Orthodoxe. Braith ist die konservativste Koalition, und ungefähr ein Zehntel ihrer Angehörigen – so schätzt Jaan – glaubt auch heute noch an Spottmenschen. Meist sind es Jäger, die das glauben wollen, und fast alle stammen aus Braith. Lorimaar, sein teyn und eine Handvoll seiner kethi befinden sich hier auf der Jagd. Auf Worlorn ist das Spiel variabler als auf Hoch Kavalaan, außerdem überwacht niemand die Regeln. Eigentlich gibt es hier überhaupt keine Gesetze. Die Absprachen für die Festlichkeiten sind schon lange ausgelaufen. Lorimaar kann töten, was er will.«
»Menschen inbegriffen«, bemerkte Dirk.
»Falls er welche finden kann«, sagte sie. »Larteyn hat zwanzig Einwohner, glaube ich – einundzwanzig mit dir. Uns, einen Dichter namens Kirak Rotstahl Cavis, der in einem alten Wachtturm lebt, und ein paar legitimierte Jäger von Shanagate. Die restlichen Bewohner sind Braiths. Sie machen Jagd auf Spottmenschen beziehungsweise auf anderes Wild, wenn sie keine Spottmenschen finden können. Sie sind eine Generation älter als Jaan und ziemlich blutdürstig. Sie haben vielleicht ein paar Geschichten in ihren Festhalten gehört oder an einigen wenigen rechtswidrigen Menschentötungen in den Hügeln von Lameraan teilgenommen. Darüber hinaus kennen sie die alten Jagden aber nur aus Legenden. Sie platzen beinahe vor Tradition und Frustration«, bemerkte sie schließlich lächelnd.
»Und das geht so weiter? Niemand unternimmt etwas dagegen?« Jaan Vikary verschränkte die Arme. »Ich muß Ihnen etwas gestehen t'Larien«, sagte er ernst. »Garse und ich haben Sie gestern angelogen als Sie uns nach dem Grund unseres Hierseins fragten. Das heißt, ich war derjenige, der Sie anlog. Garse sagte wenigstens die halbe Wahrheit – wir müssen Gwen beschützen. Sie ist keine Kavalarin, sondern stammt von einer anderen Welt, und die Braiths würden sie mit Freuden umbringen, wenn nicht der Schild Eisenjades dazwischenstehen würde. Dasselbe gilt auch für Arkin Ruark, der davon überhaupt nichts ahnt, nicht einmal, daß er unter unserem Schutz steht. Das ist jedoch der Fall. Auch er ist korariel von Eisenjade.
Dies sind jedoch nicht die einzigen Gründe für unsere Anwesenheit auf Worlorn. Ich wurde gewissermaßen dazu genötigt, Hoch Kavalaan zu verlassen. Als ich meine Hochnamen erhielt und meine Theorien publizierte, wurde ich im Rat der Hochleibeigenen mit einem Schlag zu einer einflußreichen, gewürdigten, aber auch verhaßten Persönlichkeit. Viele religiöse Männer faßten meine Behauptung, Kay
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