Die Flamme erlischt
Decke hingen – Kugeln, deren trübes Licht das Auge schonte –, paßten sich der Färbung an.
»Ist das langweilig«, sagte Gwen, nachdem sie einige Minuten gegangen waren. »Die Gleichförmigkeit ist niederschmetternd. Lagepläne oder Wegweiser sehe ich auch nicht. Mich wundert, daß die Leute sich hier nicht verlaufen.«
»Ich nehme an, man braucht nur die Stimme nach dem Weg zur fragen«, sagte Dirk.
»Ja, das habe ich ganz vergessen.« Sie runzelte die Stirn. »Was ist mit der Stimme los? In letzter Zeit hatte sie uns nicht viel zu sagen.« »Ich habe sie zum Schweigen gebracht«, erzählte Dirk. »Aber sie beobachtet uns noch.«
»Kannst du sie wieder zum Leben erwecken?«
Er nickte und hielt inne. Dann führte er sie auf die nächste schwarze Tür zu. Wie erwartet, war das Zimmer nicht bewohnt, und die Tür öffnete sich sofort bei seiner Berührung. Drinnen war alles vertraut – das Bett, die Einrichtung, der Bildschirm.
Dirk schaltete den Schirm ein, drückte den Knopf mit dem Stern und schaltete das Gerät wieder ab. »Kann ich Ihnen helfen?« fragte die Stimme.
Gwen lächelte ihn an, es sah ein bißchen gequält aus. Wie es schien, war sie genauso verängstigt wie er. Neben ihren Mundwinkeln hatten sich Sorgenfalten gebildet.
»Ja«, sagte sie. »Wir wollen etwas tun. Unterhalte uns. Vertreibe uns die Zeit. Zeig uns die Stadt.« Sie sprach ein wenig zu schnell, dachte Dirk, wie jemand, der sich hastig von unangenehmen Dingen ablenken will. , Er fragte sich, ob es die Angst um ihre Sicherheit war, die er heraushörte – oder Besorgnis um Jaan Vikary.
»Ich verstehe«, gab die Stimme zurück. »Dann darf ich Ihr Fremdenführer sein und Ihnen die Wunder von Challenge zeigen, jenem auf Worlorn wiedergeborenen Ruhm von pi-Emerel.« Dann wurden sie von ihr geführt. Sie gingen auf die nächsten Aufzüge zu und verließen die endlos geraden Kobaltkorridore, rasten farbigeren und abwechslungsreicheren Regionen entgegen.
Sie ließen sich zum Olymp hinauftragen, einem mit Plüsch ausgekleideten Saal in der obersten Spitze der Stadt, und standen knöcheltief in einem schwarzen Teppich, während sie aus Challenges einzigem riesigen Fenster blickten. Tief unter ihnen zog eine dunkle Wolkenbank vorbei, getragen von schneidendem Wind, den sie nur ahnen konnten. Der Tag war trüb und düster, das Höllenauge brannte und stierte wie immer vor sich hin, aber seine gelben Kumpane hatten sich hinter grauem Dunst versteckt, der den Himmel überzog. Von hier aus konnten sie die weitentfernten Berge und das schwache Dunkelgrün des Freigeländes unter ihnen sehen. Ein Robotkellner servierte ihnen eisgekühlte Getränke.
Dann gingen sie zum Zentralschacht, einem Hohlzylinder, der von oben bis unten die Turmstadt durchbohrte und ihren Kern bildete. Auf dem höchsten Balkon stehend, hielten sie sich bei den Händen und sahen zusammen hinunter, vorbei an anderen Baikonen, deren nicht enden wollende Reihen sich in schwach beleuchtete Tiefen hinabschraubten. Dann öffneten sie das schmiedeeiserne Tor und sprangen Hand in Hand ab. Langsam, im sanften Griff des warmen Auftriebs, schwebten sie nach unten. Der Zentralschacht war ein erholsames Fortbewegungsmittel. In ihm war die Schwerkraft so gering, daß man sie kaum noch Schwerkraft nennen konnte – weniger als 0,01 Prozent Emereli-Normalwert. Sie schlenderten auf dem äußeren Boulevard, einer breiten Straße, die sich wie das Gewinde einer riesigen Schraube am inneren Stadtrand spiralenförmig emporwand, so daß ein ehrgeiziger Tourist die Stadt vom Boden bis zur Spitze zu Fuß erklimmen konnte. Restaurants, Museen und Boutiquen säumten den Boulevard zu beiden Seiten. Dazwischen befanden sich verlassene Verkehrswege für Ballonreifenwagen und schnellere Fahrzeuge. Ein Dutzend Gleitbänder, sechs nach oben, sechs nach unten, bildeten den Mittelstreifen der sanft gewundenen Prachtstraße. Als ihre Beine müde wurden, stiegen sie auf ein langsames Transportband um, dann auf ein schnelleres und abermals auf ein schnelleres. Während die Szenerie vorbeiglitt, wies die Stimme auf besonders interessante Dinge hin, von denen sich keines als besonders interessant erwies.
Sie schwammen nackt im Emerelimeer, einem mit Süßwasser gefüllten Pseudo-Ozean, der den größten Teil des 231. und 232. Stockwerks einnahm. Das Wasser war kristallgrün und so klar, daß sie Algenschläuche sehen konnten, die sich zwei Stockwerke unter ihnen sinusförmig schlängelnd bewegten. Überall
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