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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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trügerisches Dunkel herrschte – »weil wir dort draußen nicht genug sehen. Das Hafenbecken von Alexandria ist übersät von Trümmern, Wracks und Unrat, ganz zu schweigen vom Sand, der die Sicht unter Wasser trübt.«
    »Aber wir dürfen nicht umkehren«, wandte Sarah ein, und die Hilflosigkeit war ihrer Stimme anzumerken. »Wir dürfen es nicht. Mein Vater ist in dieser Stadt! Er braucht meine Hilfe …«
    »Ich bin mir dessen bewusst, Lady Kincaid, und ich bedaure das sehr«, versicherte Hulot. »Aber wir brauchen das Periskop, um zu navigieren – andernfalls sind wir nichts als ein …«
    »Nein«, widersprach du Gard entschieden. »Wir brauchen es nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Was ich soeben sagte: Wir brauchen das Periskop nicht.«
    »Was schlagen Sie stattdessen vor? Einfach blindlings drauflos zu fahren?« Der Kapitän lachte freudlos auf. »Der gute Jules hat vergessen, mir zu sagen, welch seltsamen Humor Sie haben.«
    »Ich treibe keine Scherze, Monsieur.« Du Gard trat an die metallene Wandung und legte beide Hände darauf. Dann schloss er demonstrativ die Augen. »Nehmen Sie langsam Fahrt auf.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Los doch!«, herrschte du Gard ihn in einem Ausbruch von Temperament an, wie Sarah ihn noch nie zuvor bei dem sonst so beherrschten Franzosen erlebt hatte.
    Selbst Hulot schien davon beeindruckt zu sein – als der Steuermann ihm einen fragenden Blick zuwarf, nickte er ihm kaum merklich zu. »Langsame Fahrt«, ordnete er an.
    »Nach links«, flüsterte du Gard.
    »Zehn Grad backbord«, übersetzte Hulot für seinen Steuermann.
    »Links, links, links …«
    »Dreißig Grad«, verbesserte der Kapitän – tatsächlich konnte man kurz darauf undeutliche dunkle Formen erkennen, die auf der Steuerbordseite des Unterseebootes vorbeizogen und mit denen die ›Astarte‹ fraglos kollidiert wäre, hätte du Gard sie nicht daran vorbeigelotst.
    Hulots Blicke pendelten ungläubig zwischen dem Bullauge und du Gard hin und her, auf dessen Stirn sich tiefe Falten gebildet hatten, während Schweiß über seine Schläfen rann. Sarah hatte keine präzise Vorstellung davon, was er da eigentlich tat, aber es schien ihm alles abzuverlangen …
    Die Anspannung war unerträglich.
    Es war, als hätte die Hitze im Ruderstand sich noch um ein Vielfaches gesteigert. Die Luft, die wie stets nach Salz, Maschinenöl und Chemikalien roch, war zum Schneiden dick.
    Du Gard flüsterte weiterhin Anweisungen. Mit geschlossenen Augen schien er etwas zu sehen, das allen anderen im Turm trotz weit geöffneter Augen verborgen blieb. Mit traumwandlerischer Sicherheit steuerte er das Submarin um Hindernisse, die stets erst im letzten Moment vor den Bullaugen auftauchten, wenn es schon viel zu spät gewesen wäre, sie zu umfahren und eine Kollision zu vermeiden.
    Du Gard schien sie fühlen zu können, schien genau zu wissen, was sich außerhalb des Bootes befand, und wenn Sarah noch letzte Zweifel an den Fähigkeiten ihres Begleiters gehegt hatte, so ließ sie sie allesamt fahren. Nun endlich wusste sie, weshalb ihr Vater Maurice du Gard zu seinen Freunden zählte. Der exzentrische Franzose verfügte tatsächlich über Fähigkeiten, die das allgemein Begreifbare weit überstiegen – und Gardiner Kincaid hatte von jeher einen Hang dazu gehabt, sich mit außergewöhnlichen Talenten zu umgeben …
    Je weiter sie in das Hafenbecken einfuhren, desto geringer wurden die Hindernisse, die es zu umfahren galt. Schiffen, die an der Oberfläche fuhren, konnten sie ohnehin nicht gefährlich werden – einem Unterseeboot hingegen konnten die Überreste gekenterter Schiffe und die Trümmer versunkener antiker Bauten sehr wohl zum Verhängnis werden. Durch das trübe Wasser, in das hier und dort etwas Dämmerlicht fiel, erheischte Sarah einen Blick auf eine wunderliche Welt, unter deren dicken Sandschichten noch manches Geheimnis verborgen sein mochte – im Augenblick jedoch galt es nur jenes Rätsel zu lösen, das ihren Vaters betraf …
    Die Aussicht, Gardiner Kincaid nun vielleicht schon bald gegenüber zu stehen, erfüllte Sarah mit banger Freude. Reglos stand sie im Turm und klammerte sich so stark an der Verstrebung fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Immer wieder blickte sie auf du Gard, dessen Haar in schweißnassen Strähnen hing und der um Jahre gealtert schien – oder war dies nur eine Täuschung, die vom spärlichen Licht und von den Falten der Anstrengung rührte, die sich in seine blassen Züge

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