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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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herausfinden, dass wir uns dorthin verkrochen haben.«
    »Vielleicht, aber sie werden uns nicht so schnell erwischen wie hier unten.«
    Damit erklomm Sarah auch schon die steilen Stufen, dicht gefolgt von ihren keuchenden Begleitern. Auf der Dachterrasse, die fünf Yards im Quadrat messen mochte, gab es eine hölzerne Bank und einen dazugehörigen Tisch. Ein Sonnensegel spannte sich darüber, durch dessen grob gewobenes Tuch grelles Licht fiel. Die Tür ins Innere des Hauses war verschlossen.
    Hinter der hüfthohen Mauer aus Lehmziegeln, die den Dachgarten umgab, suchten Sarah und ihre Gefährten Zuflucht – und das keinen Augenblick zu früh. Denn kaum hatten sie sich hinter der Brüstung verschanzt, waren von unten auch schon die trampelnden Schritte ihrer Verfolger zu hören.
    Keiner der drei Flüchtlinge wagte einen Blick, aber dem Lärm nach zu urteilen mussten es fünf oder sechs Soldaten sein. Ein Unteroffizier war bei ihnen, der sie zur Eile antrieb und ankündigte, all jene erschießen zu lassen, die sich dem Dienst für das Vaterland auf so schändliche Weise zu entziehen versuchten. Im nächsten Moment verlor sich ihr Getrampel wieder – in ihrer Erregung waren die Männer an der Treppe vorbeigestürmt.
    »Nicht zu glauben«, kommentierte Hingis, der sein Glück kaum fassen konnte. »Sie müssen die Stufen übersehen haben.«
    »Wie heißt es so schön?«, erwiderte Sarah grinsend. »Den Tapferen hilft das Glück.«
    »So heißt es«, räumte du Gard ein, der sich halb erhoben hatte und vorsichtig über die Brüstung spähte, »aber manchmal lässt das Glück die Tapferen auch im Stich.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Sie kommen zurück, zwei von ihnen«, berichtete der Franzose aufgebracht. »Sie scheinen den Befehl zu haben, das Dach zu überprüfen …«
    Sarah erwiderte nichts – stattdessen zückte sie den Enfield. Ihre Miene verriet eiserne Entschlossenheit, als sie beidhändig den Griff umklammerte, den Spannhahn zurückzog und auf den Treppenaufgang anlegte. Schon hallte die Gasse von den Schritten der beiden Männer wider, die jeden Augenblick die Stufen heraufstürmen würden, die Gewehre mit den mörderischen Bajonetten im Anschlag …
    »Pssst«, ließ sich plötzlich eine leise Stimme vernehmen.
    »Was …?«
    Verblüfft wandte sich Sarah um – und stellte fest, dass die Tür zum Dachgarten nicht länger verschlossen war. Ein Spalt hatte sich geöffnet, und ein rundliches, sonnengebräuntes Gesicht war erschienen, auf dessen Kinn ein spitzer Bart prangte und aus dem ein dunkles Augenpaar die Gefährten heiter anblickte.
    »Wenn die Herrschaften bei mir Zuflucht suchen möchten …«
    Der Mann, der augenscheinlich Ägypter war, sich jedoch eines gut verständlichen Englisch bediente, hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als Sarah und ihre Begleiter bereits aufsprangen – für lange Überlegungen blieb keine Zeit. In gebückter Haltung rannten sie zu der Tür, die der Fremde vollends für sie öffnete, und huschten in die dahinter liegenden Schatten. Knarrend wurde die Tür hinter ihnen geschlossen, der Riegel vorgeschoben.
    Genau im richtigen Augenblick.
    Atemlos beobachtete Sarah durch ein Astloch in der Tür, wie die Soldaten das Dach erreichten. Argwöhnisch blickten sich die beiden Männer um, zielten mit den Läufen ihrer Gewehre bald hierhin und bald dorthin, aber natürlich konnten sie niemanden entdecken.
    Sarah zuckte zusammen, als einer von ihnen herüberschaute, und sie für einen Moment das Gefühl hatte, dass ihre Blicke sich trafen. Dann trat der Mann auch schon vor.
    »Leise«, konnte sie ihren Gefährten gerade noch zuflüstern, dann war schon der drohende Schatten unter der Tür zu sehen, und alle im Raum hielten den Atem an.
    Der Soldat trat hin und her, rief seinem Kameraden etwas zu, das Sarah nicht verstand. Die Luft in der Dachkammer war zum Schneiden dick, die Hitze beinahe unerträglich. Sarah merkte, wie ihr Schweiß auf die Stirn trat und in ihre Augen rann, dennoch konnte sie ihren Blick nicht von der Tür wenden, an der im nächsten Moment heftig gerüttelt wurde.
    Die Flüchtlinge schreckten zusammen, Hingis ließ ein leises Pfeifen vernehmen. Wie gebannt starrten sie auf den Riegel und hofften nur, dass er der rohen Gewalt standhalten würde.
    Noch ein Rütteln, dann ein frustrierter Faustschlag gegen die Tür, der Sarah abermals zusammenzucken ließ.
    Dann war es vorbei.
    Bebend vor Anspannung, beobachtete Sarah, wie sich die Uniformierten entfernten.

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