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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Hinsicht enttäuscht hatte, konnte sie nicht anders, als bewundernd zu ihm aufzuschauen. Sein enormes Wissen, seine jugendliche Neugier, sein wissenschaftlicher Entdeckerdrang, sein unerschütterlicher Mut und seine erstaunliche Gelassenheit – all das machte ihn zu jener Person, die Sarah stets hatte sein wollen. Von früher Jugend an hatte sie ihrem Vater nachgeeifert, um eines Tages zu werden wie er. Dabei, dachte sie bedrückt, hatte sie sich von diesem Ziel wohl weiter entfernt denn je …
    Der Stollen schien seinen tiefsten Punkt überwunden zu haben. Allmählich führte der Weg wieder bergan, und aus der Ferne war auch wieder der dumpfe Donner der Detonationen zu hören, begleitet von leichten Erschütterungen, die den Fels erbeben ließen.
    »Das Bombardement dauert noch immer an«, stellte Mortimer Laydon fest.
    »Verdammt«, erwiderte der alte Gardiner. »Wenn wir auf dieser Seite der Bucht etwas davon spüren, bedeutet das, dass sie nicht nur die Küstenbastionen beschießen, sondern auch die Stadt selbst. Das Erbe von Jahrtausenden, zerstört im Handumdrehen. Verdammte Idioten, was denken sie sich nur dabei?«
    Die Fackel in seinen Händen war fast herabgebrannt. Zuerst half Sarah aus, indem sie ihre Beduinenverkleidung in Streifen riss und ihrem Vater gab, damit er den Stoff als zusätzliches Brennmaterial um den Schaft wickeln konnte, dann Hingis und schließlich auch du Gard, dem es sichtlich leid tat, sich von dem mit Arabesken bestickten Offiziersmantel zu trennen. Auch dieses Opfer konnte jedoch nicht verhindern, dass der Lichtschein spärlicher wurde. Endlich tauchte im Schein der immer karger werdenden Flamme eine Treppe auf, die steil nach oben führte.
    »Na also«, brummte Lord Kincaid. »Sieht so aus, als hätten wir die andere Seite des Hafenbeckens erreicht.«
    »Und mit ihr hat uns auch der Krieg wieder«, ergänzte Ali Bey, während im Hintergrund erneut ferne Explosionen zu hören waren.
    »Die Treppe ist weniger gut erhalten«, stellte Sarah fest und erklomm die ersten Stufen. »Hier gibt es überall Risse, auch in der Decke und in den Wänden …«
    »Dann sollten wir zusehen, dass wir hinaufkommen«, drängte Hingis. »Ich bin nicht erpicht darauf, hier unten verschüttet zu werden.«
    »Ich auch nicht, mon ami«, gab du Gard ihm mit freudlosem Lächeln recht. »Glauben Sie mir …«
    Sie verloren keine Zeit und erklommen hastigen Schrittes die Treppe. Einerseits war es ein beruhigendes Gefühl, der Oberfläche wieder näher zu kommen; andererseits nahm mit buchstäblich jeder Stufe die Stärke des Bombardements wieder zu.
    »Idioten«, wetterte Gardiner Kincaid pausenlos vor sich hin. »Verdammte Idioten …«
    Die Treppe endete und führte in einen Korridor, dessen Wände erneut mit Inschriften und Abbildungen versehen waren. Allerdings zeigte sich auch hier, was sich am Fuß der Treppe bereits angekündigt hatte: Dieser Teil des Ganges hatte die Erdbeben der Vergangenheit weitaus weniger gut überstanden. Nicht nur, dass breite Risse Boden, Wände und Decke durchzogen – der Stollen war an einigen Stellen auseinandergebrochen, und die Bruchstücke hatten sich gegeneinander verdreht, sodass sich der Gang als eine steinerne, sich scheinbar ziellos windende Röhre präsentierte.
    »Malheureusement«, merkte du Gard an, »sieht das nicht sehr ermutigend aus.«
    »Habe ich das nicht gleich gesagt?«, wetterte Hingis. »Habe ich nicht prophezeit, dass die Decke über uns einstürzen wird?«
    »Noch ist sie nicht eingestürzt«, konterte der alte Gardiner trocken. »Falls es doch passieren sollte – verklagen Sie mich.«
    »Dazu hätte ich auch gute Lust«, ereiferte sich der Schweizer. »Leute wie Sie sind eine Schande für unsere Wissenschaft! Ich werde dafür sorgen, dass Sie aus sämtlichen Forschungskreisen …«
    Die Erschütterung, die den Stollen erbeben ließ, war so heftig, dass Ali Bey und Mortimer Laydon das Gleichgewicht verloren und stürzten. Ein ungeheurer Knall ließ Boden und Wände erzittern, und aus den unzähligen Rissen in der Decke rieselten Sand und loses Geröll.
    »Streitet euch später weiter«, schlug Sarah vor, »jetzt haltet den Mund und lauft!«
    Es gab keinen Widerspruch, nicht einmal von Hingis. Hals über Kopf rannten die Flüchtlinge los, geradewegs durch den Stollen, dessen Wände sich – oder war es nur eine Täuschung im flüchtigen Schlaglicht der Fackel? – zu bewegen schienen. Gesteinsbrocken fielen von der Decke, sodass Sarah und ihre

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