Die Flamme von Pharos
umzukehren, wäre Unsinn«, stellte Gardiner klar. »Wir sind kurz vor dem Ziel.«
»Und wenn das Gewölbe einstürzt?«
»Es hat zwei Jahrtausenden getrotzt, es wird auch die Dummheit der königlich britischen Marine überstehen«, gab sich Gardiner überzeugt. Noch immer waren lärmende Detonationen zu hören, aber die Intensität des Beschusses hatte nachgelassen.
»Ich teile Vaters Ansicht«, sagte Sarah. »Ich denke, wir sollten es wagen und weitergehen.«
»Wie überraschend«, konterte Hingis. Dem Flackern in seinen Augen war zu entnehmen, dass auch er gerne erfahren hätte, was sich auf der anderen Seite des überfluteten Trümmerfeldes befand, aber die Aussicht, sich ins feuchte Element zu begeben, schien ihm ganz und gar nicht zu behagen.
»Ich denke, wir haben keine andere Wahl«, schlug sich auch Mortimer Laydon auf Gardiners Seite. »Das Risiko, das Hafenbecken noch einmal zu unterqueren, dürfte kaum geringer sein, als sein Glück hier zu versuchen.«
»Naram«, stimmte Ali Bey zu und stieg ebenfalls ins Wasser, das Gewehr beidhändig hochhaltend. »Ich bin ein Sohn der Wüste und traue dem Wasser nicht, aber ich denke, der effendi hat recht. Niemand sollte sein Schicksal zweimal auf dieselbe Weise herausfordern.«
Damit waren die Skeptiker überstimmt, und als Hingis sah, dass du Gard sich dem Beschluss der Mehrheit fügte, gab auch er seinen Widerstand auf. »Verraten Sie mir nur eines«, raunte er Sarah zu, während er mit vor Abscheu verzogenen Mundwinkeln ins seichte Uferwasser stieg, »wie haben Sie es mit einem solchen Vater nur ausgehalten?«
»Im Grunde«, entgegnete Sarah, »gibt es nur zwei Möglichkeiten – entweder, man verliert den Verstand, oder man wird wie er. Ich habe mich für Letzteres entschieden.«
Hingis blieb im knietiefen Wasser stehen. »Sie sind witzig«, konstatierte er, ohne dass festzustellen gewesen wäre, ob er es ernst oder ironisch meinte.
»Danke sehr«, erwiderte Sarah lächelnd, und zum ersten Mal, seit sie diese Reise angetreten hatten, hatte sie das Gefühl, dass in der Brust des stets so hölzern wirkenden Gelehrten ein Herz schlug.
Das Wasser war infolge des Sandes, den sie mit jedem ihrer Schritte aufwühlten, trübe geworden. Sarah spürte klamme Kälte an sich emporkriechen, hütete sich jedoch, darüber auch nur ein Wort zu verlieren.
Die tatsächlichen Abmessungen des Trümmerfeldes, das einst eine eindrucksvolle Säulenhalle gewesen sein musste, waren im spärlichen Licht der Fackel nur zu erahnen. Die Gefährten sahen nur, was die immer kleiner werdende Flamme aus der Dunkelheit riss, und das war wenig genug. Das Wasser reichte ihnen inzwischen bis zur Brust, und sie wateten vorbei an Säulen, die umgestürzt im Wasser lagen oder als baufällige Stümpfe aufragten, Stümpfe, die sich unter der schweren Last krümmten, die auf ihnen ruhte. Bisweilen erzitterten sie unter den Einschlägen der Geschosse, die unablässig niedergingen, aber noch hielten sie der zusätzlichen Belastung stand.
Sarah versuchte, keinen Gedanken daran zu verschwenden, was geschehen würde, wenn auch nur eine der Säulen nachgab. Das Gleichgewicht, das die zerstörte Decke hielt, schien höchst zerbrechlich zu sein, und obwohl sie es Hingis gegenüber niemals zugegeben hätte, würde Sarah laut aufatmen, wenn sie das Gewölbe hinter sich gelassen hatten …
»Verdammt«, hörte sie ihren Vater plötzlich knurren, und am Tonfall erkannte sie, dass dies keine Floskel war.
»Was gibt es?«, erkundigte sie sich und arbeitete sich an die Spitze der Gruppe vor. Wie es aussah, hatten sie die gegenüberliegende Seite der Säulenhalle erreicht. Was allerdings fehlte, war ein Ausgang, denn dort, wo sich erneut eine riesige Statue des Totenwächters Anubis erhob, ragte ein ganzer Berg von Schutt und Trümmern aus dem Wasser – die Überreste zweier Säulen, die den Durchgang verschüttet hatten.
Ein wenig hilflos legte Gardiner Kincaid Hand an einen der riesigen Brocken. »Zwecklos«, stellte er frustriert fest, »sie lassen sich keinen Inch bewegen. Sieht so aus, als hätte unser geschätzter Kollege Hingis recht gehabt.«
»Habe ich es nicht gesagt? Warum nur hört nie jemand auf mich …?«
»Was soll das heißen, Vater?«, erkundigte sich Sarah verwirrt. »Du willst aufgeben? Nachdem wir so weit gekommen sind?«
»Ob ich aufgeben will?« Gardiner schüttelte entschieden den Kopf. »Ganz sicher nicht – aber ich sehe nicht, welche Wahl uns bleibt. Ich bin kein Zyklop,
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