Die Flamme von Pharos
Sarahs Sicherheit zu sorgen, und daran hatte sich auch später nie etwas geändert. Nur widerwillig hatte der Kutscher sie nach Montmartre gebracht, und er hatte es alles andere als gerne gesehen, dass sie sich allein auf den Weg gemacht hatte. Zu Recht, wie Sarah im Nachhinein eingestehen musste …
»Ein wenig«, wiegelte sie deshalb ab und versuchte ein Lächeln, das Zuversicht ausstrahlen sollte, allerdings ziemlich ramponiert wirkte. »Aber nun ist ja alles gut. Du hast mich gefunden und wirst mich von hier fortbringen.«
»Das werde ich, Mylady«, versicherte Henderson und blickte sich grimmig um, den Peitschenstiel in der Hand, um etwaige Angreifer abzuschrecken. Aber von all den ehrenwerten und weniger ehrenwerten Gestalten, die die Straße und den Bürgersteig herabkamen, schien sich niemand wirklich für sie zu interessieren. An den entrückten Blicken, die die meisten von ihnen zur Schau trugen, konnte man ablesen, dass ihre Sinne ohnehin nicht mehr im Hier und Jetzt weilten.
»Lassen Sie uns gehen, Mylady«, knurrte Henderson missbilligend. »Ihrem Vater würde es gar nicht gefallen, dass Sie hier sind.«
»Sei dir da nicht so sicher, mein guter Henderson«, erwiderte Sarah mit Blick auf das würfelförmige Päckchen in ihren Händen, das sie die ganze Zeit über krampfhaft umklammert hatte. »Sei dir da nicht so sicher …«
M USÉE DU LOUVRE ZUR SELBEN Z EIT
PIERRE RECASSIN, CONSERVATEUR
DEPARTEMENT ANTIQUITES ORIENTALES
stand in nüchternen Lettern auf dem Milchglasfenster der Tür geschrieben, an der sich eine maskierte und von Kopf bis Fuß schwarz gekleidete Gestalt zu schaffen gemacht hatte.
Im Halbdunkel, das durch hohe Korridorfenster auf die Gänge des Verwaltungstraktes fiel und nur vom spärlichen Mondlicht durchbrochen wurde, hatte der Eindringling Schwierigkeiten, den Schlüssel in das Schloss zu führen. Endlich gelang es ihm, und mit zitternden Händen drehte er ihn herum.
Das klickende Geräusch, das dabei entstand und ungewollt laut durch den Korridor hallte, ließ ihn für einen Moment verharren. Vorsichtig blickte er sich um, dann drückte er die Klinke, öffnete die Tür und verschwand im dunklen Inneren des fensterlosen Zimmers.
Ein Streichholz flammte auf und löste die Einrichtung aus der Dunkelheit – leere Regale und einen alten Schreibtisch, der in der Mitte der Kammer stand. Auf dem Teppichboden war ein dunkler Fleck zu sehen, den man offenbar zu entfernen versucht hatte, der jedoch allen Reinigungsversuchen erfolgreich getrotzt zu haben schien.
Der Eindringling verharrte und starrte wie gebannt darauf, und vielleicht wäre er noch weiter so stehen geblieben, hätte das herunterbrennende Streichholz in seinen Fingern ihn nicht schmerzhaft daran erinnert, dass er eine Mission zu erfüllen hatte. Rasch huschte er zum Schreibtisch und entzündete die Gaslampe, die dort stand, stellte sie auf kleinste Flamme, damit ihr Schein nicht sofort gesehen wurde. Dann begann der Eindringling seine Suche.
Zuerst nahm er die Schubladen des Schreibtisches in Augenschein, zog sie ganz heraus, um sicher zu sein, dass sie keine Geheimfächer oder doppelten Böden besaßen; dann ging er daran, die Regale zu überprüfen, pochte allenthalben gegen das Holz, wenn er dahinter ein Versteck vermutete. Fündig wurde er jedoch nicht.
Schließlich ging er daran, die Wände zu untersuchen, klopfte auch hier jede Stelle ab, die ihm verdächtig erschien – und rief damit unerwünschte Gesellschaft auf den Plan.
In seine Suche vertieft, bemerkte der Eindringling nicht, wie zwei uniformierte Wächter den Korridor herabkamen. Die Klopfgeräusche, die zu gezielt und regelmäßig waren, um von einem Tier zu stammen, hatten sie alarmiert, und als sie das gedämpfte Licht gewahrten, das durch das Milchglas auf den Gang fiel, zückten sie ihre Revolver. Entschlossen nickten sie einander zu – und platzten in jenem Augenblick durch die Tür, in dem der vermummte Eindringling erkannt hatte, dass seine Suche vergeblich war.
Mit einem gellenden Schrei fuhr er herum, als die Tür gegen die Wand krachte. Seine vor Schreck weit aufgerissenen Augen erkannten die Uniformierten und die Waffen in ihren Händen, und er wusste, dass sein Spiel aus war.
»Keine Bewegung, oder wir schießen«, rief einer der Wächter mit bebender Stimme. »Haben wir dich, Bursche!«
Der Eindringling machte weder Anstalten, die Flucht zu ergreifen, noch Widerstand zu leisten. Gehorsam reckte er die Hände empor und zeigte so,
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