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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Gesicht, worauf die langhaarige Gestalt, die ganz offenbar den Verstand verloren hatte, nur noch lauter lachte. Ihr Gelächter überschlug sich und hallte von den schäbigen Fassaden wider, begleitete Sarah, die auf dem Absatz kehrtmachte, um die unerbauliche Gesellschaft rasch hinter sich zu lassen.
    Sie kam nicht weit.
    Denn gerade, als sie sich dem Ausgang der Gasse näherte und dem beruhigend hellen Licht der Straßenbeleuchtung, das von dort hereindrang, trat Sarah eine ebenso große wie düstere Gestalt entgegen und versperrte ihr den Weg.
    Instinktiv blieb Sarah stehen.
    Zwar konnte sie im Gegenlicht nur die Silhouette des Fremden erkennen, doch spürte sie die Bedrohung, die von ihm ausging. Ein schwarzer Umhang bauschte sich um seine hünenhafte Gestalt, eisige, tödliche Kälte schien ihm vorauszueilen.
    Sarah sog scharf den Atem ein – dann tat sie das, wozu ihre von zahllosen Abenteuern geschulten Instinkte ihr rieten.
    Sie ergriff die Flucht.
    Ohne sich auch nur einen Augenblick mit der Frage aufzuhalten, wer der Fremde war oder was er von ihr wollte, fuhr sie herum und lief zurück, soweit das nach Pariser Mode geschnittene Kleid und das Schuhwerk mit den angeschnittenen Absätzen es zuließen, vorbei an der verrückten Person mit den langen Haaren, deren Gelächter sich in ein irres Kreischen gesteigert hatte. Einer der Männer mit den Hüten sah in Sarah wohl ein leichtes Opfer und wollte ihr folgen, doch sein Kumpan hielt ihn zurück. Eingeschüchtert starrten beide auf den großen Schatten, der die Gasse herabkam und sich an die Fersen der jungen Frau heftete.
    Gehetzt blickte Sarah über die Schulter. Ihre Ahnung hatte sie nicht getrogen – die dunkle Gestalt folgte ihr mit entschlossenen Schritten. Wer war der Kerl, und was wollte er von ihr? Sarah war klar, dass dies weder der richtige Zeitpunkt noch der rechte Ort war, um sich danach zu erkundigen. Sie musste fort, nur rasch fort, zurück auf die Straße und zu der Kutsche, die dort auf sie wartete …
    In der Befürchtung, sich immer weiter von ihrem eigentlichen Ziel zu entfernen, bog sie in eine Nebengasse ein, die sich über steile Stufen und in engem Zickzack durch das Gewirr der Häuser wand. Der betäubende Geruch von Opium schlug ihr entgegen, und im schmutzig gelben Licht, das aus Kellerfenstern drang, erblickte Sarah Männer, deren entrückte, steinerne Mienen kaum noch etwas Menschliches an sich hatten. Der Blick ihrer Augen war glasig und leblos, als wollte er niemals wieder zurück in die Wirklichkeit finden. Schaudernd hastete Sarah weiter, stellte entsetzt fest, dass der Schatten ihr noch immer folgte.
    Sie beschleunigte ihren Schritt. Am liebsten hätte sie sich der Stiefel entledigt, die mehr hinderlich als nützlich waren, aber wenn sie stehen blieb, um die Verschnürung zu lösen, würde ihr Verfolger sie nur noch eher eingeholt haben …
    Sie hastete weiter und stolperte im Halbdunkel über Unrat, der auf dem Boden lag. Sie versuchte sich abzufangen – vergeblich. Sarah schlug der Länge nach auf das schmutzige Pflaster, stieß sich dabei Ellbogen und Knie blutig. Sie merkte, wie jemand von der Seite an sie herantrat, und schaute instinktiv nach oben, blickte in ein grässlich entstelltes Gesicht, das keine Nase mehr besaß. Sarah konnte nicht anders, als einen entsetzten Schrei auszustoßen, dann raffte sie sich auf die Beine und rannte weiter. Eine weitere deformierte Gestalt, die einen schmutzigen Uniformrock trug, kam aus der Dunkelheit gehumpelt.
    »Eine milde Gabe für die Veteranen …«, hauchte sie heiser – aber Sarah war schon vorbei.
    Sich gehetzt umblickend, hastete sie weiter durch die Gasse, die zwischen den schwarzen Fassaden mäanderte. Im Schatten des Mondlichts war ihr Verfolger kaum noch zu erkennen, aber Sarah wusste dennoch, dass er ihr auf den Fersen war. Sie konnte seine Schritte und seinen schnaubenden Atem hören und erkannte entsetzt, dass er aufgeholt hatte. Bei ihrem Sturz hatte sie wertvolle Sekunden verloren – Sekunden, die sie vielleicht das Leben kosten würden.
    Sarah lief, so schnell sie nur konnte, getrieben von Furcht und nackter Panik, und erwartete halb, dass eine Pranke heranschießen und sie im Genick packen, sie in die Finsternis zerren würde, aus der es kein Entkommen mehr gab …
    Atemlos folgte sie einer Biegung, die die Gasse vor ihr beschrieb und die sie in der Dunkelheit mehr erahnen als wirklich sehen konnte. Sich mit beiden Händen an den feuchten Wänden entlang

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