Die Flamme von Pharos
in der Lage, ihn zuzuordnen. Andererseits hat dieses Zeichen etwas Vertrautes, auch wenn ich nicht genau benennen kann, was es ist. Fast kommt es mir vor, als hätte ich das Emblem schon einmal gesehen, dabei …« Sie unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Das alles ist ziemlich verwirrend, wissen Sie.«
»Offensichtlich.« Du Gard nickte. »Vielleicht sollten Sie sich eine Pause gönnen und versuchen, ein wenig Abstand zu gewinnen.«
»Wie darf ich das verstehen?«
»Mon dieu, ihr Briten seid stets so verbissen, genau wie les Allemands – dabei vergesst ihr völlig, dass das Leben seinen eigenen Rhythmus hat, der sich nicht vorherbestimmen lässt.«
»Nun, Ihre französischen Landsleute haben es zweifellos eingesehen«, erwiderte Sarah spöttisch. »Das erklärt, weshalb Ihr Kutscher zu spät am Hotel erschien. Sieben Uhr hat wohl einfach nicht in seinen Rhythmus gepasst …«
»Haben Sie noch nie etwas vom französischen savoir vivre gehört?«, erkundigte sich du Gard, ihren Spott schlicht überhörend, »von der Kunst zu leben? Sie sollten die Dinge nicht so verkrampft angehen, Sarah. Versuchen Sie, zumindest einen Abend lang zu vergessen, was Sie belastet.«
»Das ist leichter gesagt als getan«, wandte Sarah ein.
»Ich weiß. Dennoch sollten Sie auf mich hören und es versuchen. Danach wird Ihnen alles sehr viel leichter fallen, Sie werden sehen.« Um seine Worte zu unterstreichen, hob du Gard sein Glas, in dem eine rubinrote Flüssigkeit schimmerte. »Santé«, sagte er lächelnd.
Sarah zögerte einen Augenblick – dann konnte sie nicht anders, als ebenfalls zu lächeln und dem Vorschlag nachzugeben. Der Mann, den Sie noch gestern um dieselbe Stunde für einen windigen Betrüger gehalten hatte, hatte etwas an sich, dem sie sich nur schwer entziehen konnte, und dabei wusste sie nicht zu sagen, ob es an seinem Charme, seinem Akzent, seiner Klugheit oder nur an den Blicken lag, mit denen er sie unentwegt bedachte. Vielleicht auch an allem zusammen …
»Cheers«, erwiderte sie und erhob ebenfalls ihr Glas, das der Kellner inzwischen gefüllt hatte. Über das blitzende Kristall und die hellrot schimmernde Flüssigkeit darin tauschten sie einen langen Blick. Dann stießen sie an und tranken.
Der Rotwein war mild und trocken, dabei von jener Leichtigkeit, von der du Gard eben noch gesprochen hatte. »Ausgezeichnet«, lobte Sarah, während sie ihr Glas zurück auf den Tisch stellte. »Wie heißt diese Sorte?«
»Seltsam, dass Sie danach fragen«, erwiderte du Gard. »Es ist ein Clairet. Zwar stammt er aus Bordeaux, aber soweit ich weiß, erfreut er sich bei Ihren Landsleuten überaus großer Beliebtheit. Ich bin ziemlich sicher, dass Ihr Vater als Mann von Welt etwas davon in seinem Weinkeller hat.«
»Gut möglich, ich weiß es nicht.« Sarah lächelte verschämt. »Den Weinkeller von Kincaid Manor habe ich offen gestanden noch nie betreten.«
»Was für eine Schande!« Du Gard schnalzte mitleidig mit der Zunge. »Sie sollten sich mehr mit den schönen Dingen des Lebens befassen, Sarah, und Ihre Nase nicht so viel in Bücher stecken.«
»Meine Bücher«, hielt Sarah schlagfertig dagegen, »sind meine besten Freunde. Sie sind immer für mich da und lassen mich an ihrem Wissen teilhaben – und im Gegensatz zu manch anderen Lehrern scheren sie sich nicht im Geringsten um mein Geschlecht.«
»Das ist sehr zuvorkommend von ihnen«, kommentierte du Gard lächelnd und gönnte sich einen weiteren Schluck Wein. »Und auch ziemlich langweilig …«
Sarah wollte du Gard gerade fragen, wie er dies meinte, als zwei Kellner am Tisch erschienen und den ersten Gang kredenzten. Silberne Glocken lagen über den Tellern, sodass auf den ersten Blick nicht zu erkennen war, was es gab. Sarah lief das Wasser im Mund zusammen – im Zuge ihrer Recherchen hatte sie den Tag über kaum etwas gegessen, entsprechend ausgeprägt war ihr Hunger. Als die Glocken über den Tellern jedoch gelüftet wurden, wurde Sarahs Appetit jäh gedämpft …
»Was ist das?«, erkundigte sie sich mit argwöhnischem Blick.
»Schnecken in Kräutersauce«, erwiderte du Gard im Tonfall der Selbstverständlichkeit. »Sagen Sie nur, Sie haben noch nie welche gegessen?«
»Offen gestanden, nein«, und als sie sah, wie du Gards Grinsen noch breiter wurde, fügte sie rasch hinzu: »Aber ich habe in Siam gerösteten Skorpion und fauligen Fisch gegessen und in Indien Schlangenfleisch. Ich weiß, wie eine rohe Wüstenagame schmeckt, und in
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