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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Sie bislang herausgefunden haben. Dabei hätten Sie nur die richtigen Folgerungen zu ziehen brauchen, um seine Bedeutung zu erfassen.«
    »Wessen Bedeutung? Wovon sprechen Sie?«
    »Hiervon«, eröffnete der Vermummte, griff unter den weiten Stoff seines Umhangs und zog unvermittelt den metallenen Würfel hervor, den Gardiner Kincaid seiner Tochter anvertraut hatte.
    »Dieses Artefakt gehört mir«, protestierte Sarah hilflos. »Mein Vater hat es mir gegeben. Sie haben kein Recht, es zu …«
    »Ich habe jedes Recht, den Codicubus zu besitzen«, stellte der Hüne klar, »denn ich handle im Auftrag derer, denen er einst gehörte, ehe die Menschen ihn widerrechtlich an sich brachten und vor unserem Auge verbargen.«
    »Den Codicubus?« Sarah hörte das Wort zum ersten Mal.
    »Ein mittelalterlicher Begriff«, erklärte der Vermummte. »Die Menschen der alten Zeit haben ihm andere Namen gegeben. So lange existiert er nämlich bereits, und in all dieser Zeit bestand seine Aufgabe stets darin, Geheimnisse zu wahren.«
    »Was für Geheimnisse?«
    »Was auch immer ihm anvertraut wurde«, antwortete der Hüne. »Nicht wahr, Sie haben keine Ahnung, wovon ich spreche? Ihr ganzes angebliches Wissen hat Ihnen nicht geholfen, das Rätsel des Codicubus zu entschlüsseln.«
    »Nein«, gab Sarah zu.
    »So will ich es Ihnen verraten – Sie werden ohnehin keine Gelegenheit mehr haben, Ihr Wissen zu nutzen. Der Codicubus, Lady Kincaid, ist ein technisches Wunderwerk, geschaffen in grauer Vorzeit. Im Grunde ist er ein winziger Panzerschrank und zugleich sehr viel mehr als das, nämlich eine luftdichte, nahezu unzerstörbare Siegelkammer abdere, quod omnia tempora manendum.«
    »Zu verbergen, was alle Zeiten überdauern soll«, übersetzte Sarah tonlos. Vor ihren Augen tanzten helle und dunkle Flecken, das Pochen in ihrem Kopf hielt weiter an – aber ihre Begierde danach, endlich zu erfahren, was es mit dem Würfel auf sich hatte, zwang sie dazu, bei Bewusstsein zu bleiben.
    »Genau das.« Der Kapuzenmann nickte. »Wussten Sie, dass dieser Würfel einst Alexander dem Großen gehört hat?«
    »Unsinn«, widersprach Sarah. »Sehen Sie sich den Zustand des Kubus an. Er ist höchstens fünfhundert Jahre alt.«
    »Lady Kincaid« – ein leises Lachen drang aus dem Schatten der Kapuze – »ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, dass frühere Generationen der Vergangenheit größeren Respekt gezeugt haben, als Sie das heute tun? Was, wenn ich Ihnen sagte, dass der Codicubus weit über zweitausend Jahre alt ist? Dass er Alexander während seines Besuches auf der Oase Siwa anvertraut wurde, von einer Macht, die außerhalb Ihres kindlichen Begreifens liegt?«
    »Ich würde Sie für einen Lügner halten«, gestand Sarah offen.
    »Weil Sie nichts verstanden haben.« Der Hüne schüttelte den Kopf. »Alexander sollte den Codicubus benutzen, um aufzubewahren, was für seine Nachwelt von Bedeutung sein sollte, für künftige Generationen, auf dass sein Reich Jahrhunderte Bestand hätte. Auf Anraten seines Lehrers, des verschlagenen Aristoteles, wandte sich Alexander jedoch von der reinen Lehre ab.«
    »Von welcher Lehre?«, erkundigte sich Sarah, aber die Frage blieb unbeantwortet.
    »Der König«, fuhr der Vermummte unbeirrt fort, »starb daraufhin einen ebenso frühen wie unerwarteten Tod. Was blieb, war sein Vermächtnis an die Nachwelt, aufbewahrt im Inneren des Codicubus. Und an einem weit entfernten Ort gingen seine Erben daran, Alexanders letzten Willen zu erfüllen – die Errichtung einer Stadt, die seinen Namen tragen sollte …«
    »Alexandria«, hauchte Sarah, in deren von Schmerz gepeinigter Vorstellung Geschichte und Mythos zu einer geheimnisumwitterten Einheit verschmolzen. Natürlich wusste Sarah nicht, ob ihr vermummter Häscher die Wahrheit sagte, aber auf rätselhafte Weise schien alles Sinn zu ergeben. Mehr noch, Sarah fühlte tief in ihrem Inneren, dass dies die Zusammenhänge waren, nach denen sie bislang vergeblich gesucht hatte …
    »Alexandria«, bestätigte der Vermummte bitter, »die Stadt, die es niemals hätte geben dürfen, gegründet auf dem Fundament schmählichen Verrats. Der Codicubus jedoch ging in den Besitz der Ptolemäer über, die die Nachfolge Alexanders in Ägypten antraten. Sie befolgten seine Pläne und fügten ihre eigenen hinzu, begründeten ein mächtiges Herrschergeschlecht, das jedoch die Saat des Untergangs bereits in sich trug. In den Kriegswirren des Jahres 47 schließlich, die die Herrschaft der

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