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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Augenblick schien der Vermummte überrascht. »Sollte ich Sie und Ihre Fähigkeiten etwa doch unterschätzt haben? Nur wenige haben je vom Arsinoeion gehört, und die meisten von ihnen leugnen seine Existenz.«
    »Die Parallelen sind offensichtlich«, war Sarah überzeugt. »Womit also wollen Sie mich beeindrucken? Mit einem Taschenspielertrick, den schon die alten Ptolemäer kannten?«
    »Ich bin kein Taschenspieler«, brach es unter der Kapuze hervor, so laut und zornig, dass Sarah zusammenzuckte. »Hüten Sie Ihre vorlaute Zunge, wenn ich sie Ihnen nicht bei lebendigem Leib herausschneiden soll. Glauben Sie mir, ich habe Übung darin …«
    »Das glaube ich Ihnen aufs Wort.«
    »Sie wollen wissen, welchen Mächten Königin Arsinoë huldigte? Ich will es Ihnen sagen – denselben Mächten, in deren Diensten auch ich stehe und die einst Alexander diesen Würfel gegeben haben. Das Geheimnis des Magnetismus ist nur eines von vielen, die sie von alters her hüten, aber ich erwarte nicht, dass ein räuberischer Kleingeist wie der Ihre dies begreift.«
    Ohne Sarahs Antwort abzuwarten, griff der Hüne ins offen liegende Innere des Kubus und beförderte eine der winzigen Papierrollen zutage, die er entrollte und eingehend betrachtete.
    »Und?«, erkundigte sich Sarah, die in ihrer wissenschaftlichen Neugier einmal mehr vergaß, dass sie eine Gefangene war und keine Fragen zu stellen hatte. Die Zusammenhänge, die sich in diesen Augenblicken ergaben, waren ebenso frappierend wie bestürzend. »Was steht dort geschrieben?«
    »Lesen Sie selbst«, forderte ihr Häscher sie auf und warf ihr das Schriftstück vor die Füße. »Wenn Sie so klug sind, wie allenthalben behauptet wird, werden Sie das Rätsel lösen können.«
    Sarah beugte sich vor, soweit ihre Fesseln es zuließen. Dass es sich nicht um Papyrus handelte, sondern um gewöhnliches Papier, konnte sie auf den ersten Blick erkennen. Offenbar handelte es sich nicht um ein antikes Original, sondern um eine spätere Abschrift, was die Sache allerdings nicht weniger interessant machte.
    Angestrengt und mit vor Erschöpfung verschwimmendem Blick begann Sarah, die filigranen Zeichen des in Altgriechisch abgefassten Textes zu entziffern: »Erathosthenes von Kyrene, Geometer und Arzt, Vorsteher des Museions; Verfasser der geographischen Schriften …«
    »Was haben Sie?«, erkundigte sich der Vermummte, als Sarah innehielt. »Warum lesen Sie nicht weiter?«
    »Erathosthenes war ein berühmter Gelehrter, der im dritten vorchristlichen Jahrhundert lebte«, erwiderte Sarah. »Seine Leistungen auf dem Gebiet der Mathematik und der Astronomie sind bis in unsere Zeit ein Begriff, aber seine geographischen Schriften, von denen hier die Rede ist, gelten als verschollen …«
    »Sieh an. Sie scheinen Ihrem Ruf ja doch gerecht zu werden. Was haben Sie hierzu zu sagen?«
    Er warf ihr eine weitere Rolle hin, deren Inhalt Sarah wiederum überflog. »Hypatia von Alexandria«, las sie vor, »Tochter von Theon, bewandert in Mathematik, Astronomie und Philosophie; Verfasserin des Sternenkanons sowie des Kommentars zur Arithmetik des Diophantos …«
    »Und?«, tönte es herausfordernd aus dem Dunkel der Kapuze. Sarahs unbekannter Häscher schien das Geheimnis des Codicubus genau zu kennen, es jedoch nicht ohne weiteres offenbaren zu wollen.
    »Auch Hypatias Schriften sind größtenteils verschollen – woher stammt diese Auflistung?«
    »Ja«, kam es grollend zurück, »woher stammt sie? Wie fügen sich die Teile des Rätsels zusammen, Lady Kincaid? Worum handelt es sich bei diesen Texten, die all jene literarischen Werke zu enthalten scheinen, die Sie in der Asche des dunklen Zeitalters verloren glaubten? Wer könnte eine solche Auflistung verfasst haben?«
    »Die Schriftensammlungen des Alten Orients kannten keine alphabetische Gliederung«, wusste Sarah, »und auch etwas wie ein Katalog oder eine Übersicht war ihnen unbekannt. Der Erste, der etwas in dieser Art versuchte, war Kallimachos von Kyrene. Er verfasste die sogenannten pinakes, Verzeichnisse sämtlicher in der Bibliothek von Alexandria vertretener Autoren und ihrer Werke. Allerdings sind auch diese leider verloren gegangen.«
    »Nicht ganz«, wandte der Vermummte ein.
    »Soll das heißen, dass …?« Sarah starrte auf die Schriftstücke zu ihren Füßen. »Wollen Sie behaupten, dass es sich hierbei um Abschriften der pinakes handelt?«
    »Allerdings.«
    »Das kann nicht sein«, widersprach Sarah. »Hypatia lebte knapp sieben

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