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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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kurzerhand weiter, nur ein paar wenige blieben zurück, um sich über die zerquetschten Kadaver ihrer Artgenossen herzumachen – und im nächsten Augenblick hatten sie auch Sarah erreicht.
    Sie hielt den Atem an und schloss die Augen, als sie die winzigen Beine auf ihrer nackten Haut und die Bisse der Scheren spürte. Vor Entsetzen hätte sie am liebsten laut geschrien, aber sie zwang sich zur Ruhe, schon weil sie wusste, dass Panik ihr nicht geholfen hätte. Ihr Vater hatte ihr beigebracht, in jeder Lage einen kühlen Kopf zu bewahren – ob er dabei auch an Situationen wie diese gedacht hatte, bezweifelte Sarah allerdings …
    Du Gard erlegte sich weniger Zurückhaltung auf. »Diese elenden Krabbeltiere sind überall«, beschwerte er sich. »Ich würde sie alle zerquetschen, aber ich kann mich nicht bewegen …«
    »Das ist der Sinn der Sache«, erwiderte Sarah lakonisch, während sie sich verzweifelt nach einem Ausweg umsah. Immer wieder blickte sie sehnsüchtig zu den Stufen, die am Fels empor aus dem Schacht führten – und die unerreichbar für sie waren.
    Erneut schoss ein Wasserschwall aus dem Schlund, und eine ringförmige Welle breitete sich aus, brach sich schäumend an den Gefangenen und schwappte von den Felswänden zurück. Auf dem Grund des Schachtes schien ein Sturm zu toben. Schon reichte Sarah und du Gard das Wasser bis an die Hüften.
    Der einzige Vorteil des plötzlichen Wellengangs war, dass der Vormarsch der Krabben wenn schon nicht aufgehalten wurde, so doch ins Stocken geriet. Die meisten Tiere, die versucht hatten, an den Beinen der Gefangenen emporzukriechen, wurden von der Strömung erfasst und fortgerissen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie es erneut versuchen würden.
    »Irgendwie schon komisch«, meinte du Gard.
    »Was meinst du?«
    »Tu sais, eigentlich bin ich ein guter Schwimmer – dass ich ausgerechnet ertrinken werde, hat eine gewisse Komik.«
    »Es ist nicht gesagt, dass du ertrinkst«, tröstete ihn Sarah.
    »Non?«, fragte der Franzose hoffnungsvoll.
    »Nein – du könntest vorher auch bei lebendigem Leibe gefressen werden. Wir könnten eine Wette darüber abschließen, die Chancen dürften ziemlich ausgeglichen stehen.«
    »Ziemlich ausgeglichen?« Du Gard klang entnervt. »Mon dieu, Kincaid, du bist wirklich eine Britin, wie sie im Buche steht. Wie kannst du in einem solchen Augenblick ans Wetten denken? Ich hätte dich nicht für so abgebrüht gehalten.«
    »Bin ich auch nicht«, versicherte Sarah halblaut, aber die Worte gingen in einem erneuten Tosen unter, das aus der Tiefe drang, gefolgt von einer weiteren Flutwelle, so hoch, dass sie über die Gefangenen hinwegschwappte. Zwar sank der Wasserspiegel sofort wieder, aber Sarah und du Gard hatten einen schrecklichen Ausblick auf das bekommen, was in Kürze geschehen würde. Nicht nur, dass die Flut sich nicht aufhalten ließ – durch das glasklare Wasser konnten sie auch sehen, wie die Krabben sich erneut formierten und zu einer weiteren Attacke ansetzten. Ein Augenblick der Stille trat ein, in der nur das ferne Rauschen der Brandung und der unheimliche Gesang der Tiefe zu hören waren.
    »Vielleicht der richtige Zeitpunkt für ein paar letzte Worte«, regte Sarah an.
    »Was willst du hören?«, schnappte du Gard. »Dass es schön war mit dir? Dass ich die gemeinsame Nacht nie vergessen werde?«
    »Etwas in der Art«, gab sie zu.
    »Bon. Es war schön«, bestätigte du Gard panisch, »und in den geschätzten zehn Minuten, die mir noch bleiben, werde ich es ganz sicher nicht vergessen? Ca suffit?«
    »Besser als nichts.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Es tut mir leid, Maurice. Nur meines Eigensinns wegen bist du hier.«
    »C’est vrai. Du hättest auf deinen Vater hören und nach England zurückkehren sollen, dann wäre uns dies erspart geblieben.«
    Sarah nickte. »Vielleicht hattest du recht, Maurice.«
    »Womit?«
    »Mit dem, was du in Orléans gesagt hast. Dass ich das alles nicht für meinen Vater tue, sondern für mich. Dass ich ihm etwas beweisen und mich an ihm rächen will. Als ich das hörte, war ich wütend und wollte es mir nicht eingestehen, aber inzwischen …«
    »… hast du den Eindruck, dass ich die Wahrheit gesagt habe«, vervollständigte du Gard, der die Augen infolge des Salzwassers, das wie Feuer darin brannte, fest zusammenkniff. »Ein bisschen spät für Reue, n’est-ce pas? Immerhin werden wir deinen Starrsinn beide mit dem Leben bezahlen … Aber auch ich muss dir ein Geständnis

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