Die Flamme von Pharos
kurze Jacke aus blauer Wolle sie wunderbar wärmten. Nachdem sie in der Kombüse eine fettreiche Mahlzeit eingenommen hatten, die zum allergrößten Teil aus gepökeltem Speck bestand, enterten sie zur Brücke auf, die sich quer über das Oberdeck erstreckte und deren einziger Wetterschutz aus einem Dach aus Canvas bestand, das sich über Ruder, Maschinentelegraph und Kompass spannte. Hier wurden Sarah und du Gard bereits erwartet – die Kunde, dass sich eine junge Frau von Adel an Bord der ›Inflexible‹ befand, hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet.
Captain John Fisher war ein Mann mit Traditionsbewusstsein – anders waren der säuberlich gestutzte Bart und die Tatsache, dass er seine Paradeuniform angelegt hatte, wohl kaum zu erklären. Die Orden und die Säbelglocke blitzten, ebenso wie die Knöpfe, die den dunkelblauen Uniformmantel zierten. Indem er seine Mütze abnahm und sich galant verbeugte, hieß Captain Fisher die beiden Besucher willkommen. »Sieh an«, rief er, »da sind ja unsere Schiffbrüchigen. Ich hoffe, Lady Kincaid, Sie haben alles an Bord zu Ihrer Zufriedenheit vorgefunden?«
»Durchaus, werter Captain«, bestätigte Sarah lächelnd, die noch immer müde und erschöpft war, sich infolge der Stärkung jedoch schon um vieles besser fühlte, »und ich möchte mich – auch im Namen von Monsieur du Gard – in aller Form für unsere Rettung bedanken.«
»Es war uns ein Vergnügen«, versicherte Fisher mit charmantem Lächeln, ehe er sich, ungleich weniger zuvorkommend, Sarahs Begleiter zuwandte. »Du Gard?«, fragte er nach. »Demnach sind Sie Franzose?«
»Oui, das ist korrekt«, bestätigte der Wahrsager und verbeugte sich ebenfalls. »Auch ich möchte mich bedanken für …«
»Danken Sie nicht mir, danken Sie Lady Kincaid«, beschied der Kapitän ihm barsch. »Hätten Sie allein in diesem Nachen gesessen, hätten Sie meinethalben auch dort bleiben können.«
»Quoi?«
»Aber Captain«, empörte sich auch Sarah, »wie können Sie so etwas sagen?«
»Verzeihen Sie mir, Lady Kincaid.« Fisher verbeugte sich erneut. »Natürlich kenne ich meine Pflichten – aber gerettet zu werden und seine Rettung zu verdienen, sind zwei verschiedene Dinge.«
»Bien sûr.« Du Gard nickte. »Und darf ich fragen, weshalb ich Ihrer Ansicht nach keine Hilfe verdient habe?«
»Sehr einfach, mon ami«, erwiderte der Kapitän, die beiden letzten Worte sarkastisch betonend, »weil Ihr Land schließlich auch nicht bereit ist, uns bei der Lösung der Ägypten-Frage zu helfen.«
»Der Ägypten-Frage?«
»Natürlich. Vielleicht wissen Sie es ja noch nicht, aber die Lage in Ägypten droht außer Kontrolle zu geraten. Nachdem dieser selbsternannte Pascha Urabi und seine Aufständischen die Macht im Land an sich gerissen und ein Blutbad unter den dort ansässigen Europäern angerichtet haben, drohen sie jetzt den Suez-Kanal zu besetzen, was wir freilich nicht dulden können.«
»Natürlich nicht«, räumte du Gard ein. »Der Kanal ist das Tor zum Indischen Ozean und damit zum östlichen Teil dieser Welt. Aber was hat das mit meinen Landsleuten zu tun?«
»Ihre Landsleute, mon ami, profitieren nicht weniger als wir durch den Kanal. Dennoch macht Ihre Regierung keine Anstalten, sich dort militärisch zu engagieren, sondern überlässt alles uns. Finden Sie das ritterlich?«
»Um die Wahrheit zu sagen, habe ich mich nie sehr um Politik gekümmert, Captain«, gestand du Gard. »Aber offen gestanden bezweifle ich sehr, dass Ritterlichkeit dabei eine Rolle spielt. Hier geht es um Profit, n’est-ce pas? Um die zukünftige Kontrolle der Handelswege – und wer möchte in Abrede stellen, dass das britische Empire diese Verantwortung ebenso geschickt wie weise wahrnehmen wird?«
Fishers zorngerötete Züge verrieten Überraschung. Der Kapitän hatte wohl Widerspruch erwartet und innerlich schon die Messer gewetzt, um mit dem vermeintlichen Drückeberger wenigstens verbal die Klingen zu kreuzen – aber der dachte gar nicht daran, sich auf den Schlagabtausch einzulassen, sondern machte dem Herausforderer noch ein Kompliment. Sarah kam nicht umhin, sich einmal mehr über du Gard zu wundern, der nicht nur in mysteriösen Künsten bewandert schien, sondern auch auf den verschlungenen Pfaden der Diplomatie. Eine Fähigkeit, die ihr selbst schon immer gefehlt hatte …
»Werden Sie Urabi angreifen?«, erkundigte sie sich indiskret.
»Mylady.« Das alte Lächeln kehrte auf Fishers Züge zurück. »Ich denke nicht, dass
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