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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Anker ging. Die Kriegsflotte, von der der Kapitän gesprochen hatte, war dabei sich zu sammeln, und der Anblick der stahlgepanzerten Rümpfe mit waffenstarrenden Decks machte mir unmissverständlich klar, dass die Zeit drängte.
    Nachdem wir von Bord gegangen waren – nicht ohne von Captain Fisher noch einmal ausdrücklich gewarnt worden zu sein, ja das nächste Schiff nach England zu besteigen -, nahmen wir eine Droschke, die uns vom Hafen hinauf zur Stadt brachte, die einem riesigen steinernen Reptil gleich auf dem Grat einer Halbinsel liegt und zu beiden Meeresarmen hin steil abfällt. Über die Hauptstraße gelangten wir zu den trutzigen Bollwerken, die die Stadt im Südwesten begrenzen, und passierten das Stadttor. 1566, in dem Jahr nach dem verheerenden Angriff der Türken gegründet, war Valletta die erste Stadt Europas, die am Reißbrett entworfen wurde: Die Straßen und Gassen verlaufen zueinander in rechten Winkeln, entsprechend leicht fällt die Orientierung.
    Unweit des ehemaligen Großmeisterpalastes, der heute dem britischen Gouverneur als Verwaltungssitz dient, befindet sich das Telegrafenamt, von wo aus du Gard eine Nachricht nach Paris via Marseille absetzte. Ob Monsieur Verne unsere Botschaft allerdings bekommen und ob es ihm gelingen wird, Capitaine Hulot rechtzeitig zu kontaktieren, ist schwer zu sagen. Entsprechend groß ist die Unruhe, die ich empfinde. Wir haben schon so viel Zeit verloren – was, wenn es uns nicht gelingt, noch vor Beginn des britischen Angriff nach Alexandria zu gelangen? Werde ich meinen Vater jemals wiedersehen?
    Um die bohrenden Fragen zu verdrängen, die mich von früh bis spät plagen, habe ich mich entschlossen, die Zeit, die wir notgedrungen hier verbringen müssen, bestmöglich zu nutzen und die Untätigkeit aufzugeben, zu der wir scheinbar verdammt wurden …
    Z EBBUG , M ALTA
1. J ULI 1882
    »Und? Schmeckt es dir?«
    Maurice du Gards Gesichtsausdruck war eher bekümmert denn erfreut. Die Straße, die sich südwestlich von Valletta über die Insel erstreckte, war brüchig und von Schlaglöchern übersät. Staub war allgegenwärtig, von der drückenden Hitze ganz zu schweigen, und die Hackney-Kutsche, die Sarah und ihr Begleiter für ihre Erkundungstour gemietet hatten, war zwar groß und geräumig, allerdings auch alt und schlecht gefedert. Sarah nahm an, dass das Gefährt einst in England Dienst getan hatte, ehe es, wie so vieles, das im Mutterland ausgedient hatte, in die Kolonie verkauft worden war. In Casal Fornaro, einem kleinen Dorf, das sie unterwegs passierten, hatten sie sich mit Brot versorgt, das die Einheimischen in großen Fladen zu backen pflegten und das, zumindest nach Sarahs Befinden, ganz ausgezeichnet schmeckte.
    Du Gard schien anderer Ansicht zu sein. Seine blassen Gesichtszüge hatten eine ungesunde grüne Färbung angenommen, was allerdings weniger dem Brot zuzuschreiben war als dem unentwegten Schaukeln der Kutsche.
    »Casal Fornaro bedeutet übersetzt ›Dorf der Bäcker‹«, erklärte Sarah, die ihm im Fond der Kutsche gegenüber saß, während sie sich einen weiteren Brocken des knusprigen Backwerks genehmigte. »In der Sprache der Einheimischen heißt dieses Brot ftira – das Rezept ist Hunderte von Jahren alt.«
    »Was du nicht sagst«, knirschte du Gard, dem das Sprechen sichtlich schwerfiel. »Woher weißt du das alles?«
    »Mein Vater hat es mir beigebracht, wie so vieles. Früher bin ich öfter hier gewesen – nicht weit von hier gibt es antike Katakomben, wo Vater einst Ausgrabungen abhielt.«
    »Du bist ziemlich rumgekommen, was?«
    »Ein wenig«, gab sie zu. »Als ich noch ein Mädchen war, kam Vater irgendwann auf den Gedanken, dass das, was er mir beibrachte, nicht ausreichen würde, um eine Dame aus mir zu machen. Also schickte er mich nach London auf ein Internat, das sich ›Kingsleys Schule für höhere Töchter‹ nannte.«
    »Und? Wie ist es dort gewesen?«
    »Schrecklich«, gab Sarah lachend zu. »Ich bin gerade lange genug geblieben, um zu erkennen, dass das Leben einer jungen Dame von Adel aus sehr vielen Pflichten und sehr wenigen Rechten besteht.«
    »Alors?«
    »Bin ich ausgerissen«, erklärte Sarah knapp.
    »Du bist ausgerissen?«
    »Genau das. Ich reiste meinem Vater nach und bat ihn, sich die Sache noch einmal zu überlegen, und da der alte Gardiner schon immer ein weiches Herz hatte, gelang es mir, ihn umzustimmen. Die darauf folgenden Jahre waren die glücklichsten meines Lebens. Ich begleitete meinen Vater

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