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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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eine geheimnisvolle Aura umgibt, und einmal mehr wird mir klar, wie viel Monsieur Verne Kapitän Hulot zu verdanken hat.
    Dem Quartier des Kapitäns folgen die nicht weniger geräumige Messe sowie die Kombüse des Schiffes, in der ein feister Koch namens Zibarry seiner Arbeit nachgeht und Genüsse auf den Tisch bringt, die ich an einem solchen Ort nicht für möglich gehalten hätte.
    Die Mitte des Unterseebootes wird von der Zentrale eingenommen, über der sich der Turm mit dem Ruderstand und dem Ausstieg befindet, der zugleich auch die einzigen Sichtluken beherbergt, die das Schiff besitzt. Oft halte ich mich dort auf, und obwohl meine Augen sich kaum sattsehen können an den Wundern der Tiefe, die oft nur wenige Armlängen entfernt sind, an Schwärmen silbrig glänzender Makrelen, an Haien und Rochen, die lautlos vorübergleiten, ertrage ich den Anblick meist nur für kurze Zeit. Vielleicht, so sage ich mir, hat Maurice uns nicht zu Unrecht gewarnt …
    Jenseits der Zentrale befinden sich die Quartiere des Maats und der Mannschaften. Während Caleb noch eine kleine Kammer mit eigener Koje bewohnt, sind die Matrosen der ›Astarte‹ ungleich schlechter gestellt; ihre Schlafstatt besteht aus Hängematten, die zwischen Rohren und Frachtstücken angebracht sind, oft genug eingezwängt zwischen Vorräten, die in der Kombüse keinen Platz mehr fanden und deshalb in die Hecksektionen ausgelagert wurden. Wie ich gehört habe, ist es üblich, dass sich mehrere Matrosen eine Hängematte teilen, die sie im Schichtdienst abwechselnd besetzen – was dies im Hinblick auf die Hygiene an Bord des Submarins bedeutet, mag ich mir nicht vorstellen. Die strengen Gerüche, die das Unterseeboot durchziehen, sprechen in dieser Hinsicht Bände.
    Der Maschinenraum, der sowohl den Antrieb für die Überwasserfahrt als auch die Batterien für die Stromversorgung beherbergt, befindet sich am Heck des Schiffes. Den Maschinisten habe ich noch nie zu Gesicht bekommen – sie nennen ihn »le fantôme« -, und das nicht nur, weil er sich so selten zeigt, sondern auch, weil seine Haut infolge des ständigen Aufenthalts unter Tage inzwischen leichenblass geworden sein soll.
    Auch wenn derlei Details in den Büchern meiner Jugend fehlten, weiß ich nun, woher Monsieur Verne seine Ideen hat. Der Aufenthalt an Bord der ›Astarte‹ ist auch mir ein Quell ständiger Inspiration – die allerdings die Sorge nicht übertünchen kann, die ich für meinen Vater empfinde und die von Stunde zu Stunde wächst …
    9. J ULI 1882
    Der fünfte Tag der Überfahrt.
    An die knarrenden, ächzenden Geräusche, mit denen die Hülle des Unterseebootes gegen den Druck der Tiefe zu protestieren scheint, habe ich mich gewöhnt und nehme sie kaum noch wahr. Dort unten scheint man der Welt entrückt. Ob an der Oberfläche Kriege oder Stürme toben – man nimmt nichts davon wahr. Man gleitet durch die dunkle Tiefe, und ich beginne zu verstehen, weshalb sich Kapitän Hulot und seine Mannschaft jener anderen Welt nicht mehr zugehörig fühlen.
    Dennoch wird, um die Batterien und die chemischen Aufbereiter zu schonen, nur getaucht, wenn Gefahr droht, und dann auch nur für einige Stunden. Zudem erreicht das Submarin in getauchtem Zustand eine Geschwindigkeit von nur sechs Knoten, während es über Wasser gut acht Knoten Fahrt macht. Da Strömung und Wetterverhältnisse günstig sind, hat Kapitän Hulot uns in Aussicht gestellt, dass wir Alexandria schon morgen erreichen werden. Doch je mehr die Reise sich ihrem Ende zuneigt, desto größer wird meine Besorgnis.
    Wird es mir gelingen, meinen Vater zu finden, und das noch zur rechten Zeit? Werde ich ihn retten können vor dem düsteren Schicksal, das ihm droht?
    Ich gestehe freimütig dass meine Zuversicht schon größer war, und weder die einsamen Stunden, die ich in meinem Quartier verbringe, noch Friedrich Hingis’ fortwährende Kritteleien tragen dazu bei, sie wiederherzustellen. Ich muss an das denken, was mir einst ein Veteran über die letzten Stunden vor Sedan berichtet hat, und wie ein Soldat vor der Schlacht suche ich Ablenkung und Zerstreuung.
    Ich finde Trost in den Armen des Mannes, der mich durch alle Fährnisse bis hierher begleitet hat und mir trotz aller Gegensätze, die uns trennen, ein treuer Freund geworden ist – und vielleicht auch sehr viel mehr als das …
    S ÜDÖSTLICHES M ITTELMEER
9. J ULI 1882
    Die drückende Hitze, die ohnehin schon im Inneren des Submarins herrschte, hatte sich in Sarah

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