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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Ohnmacht, in die ich gefallen war. Von diesem Tag an jedoch konnte ich mich an nichts erinnern, das vorher gewesen war.«
    »Was soll das heißen?« Du Gard löste sich aus ihrer Umarmung und wandte sich überrascht zu ihr um.
    »Das heißt, dass alles, was vor meinem achten Geburtstag geschehen ist, unter einem Schleier des Vergessens verborgen liegt«, erklärte Sarah. »Alles, was ich über meine Herkunft weiß oder über meine Mutter, weiß ich nur deshalb, weil mein Vater mir davon erzählt hat. In Wirklichkeit reicht meine Erinnerung nicht so weit zurück.«
    »Mais c’est horrible!«
    »Man gewöhnt sich daran«, erwiderte Sarah und versuchte ein unbekümmertes Lächeln. »Die ersten Jahre haben mein Vater und ich alles darangesetzt, die verlorenen Erinnerungen zurückzuholen. Auf der Suche nach einem Arzt, der uns helfen könnte, sind wir um die halbe Welt gereist, jedoch ohne Erfolg. Also haben wir uns allmählich damit abgefunden. Mein Vater hat sogar einen wissenschaftlichen Begriff für jene verlorenen Jahre meiner Kindheit erfunden – er nennt sie ›tempora atra‹ – die Dunkelzeit.«
    »Eine passende Bezeichnung, fürwahr.« Du Gard nickte und erhob sich. Schweigend las er seine Kleider auf, die er im Sog der Leidenschaft von sich geworfen hatte, und zog sich wieder an, ebenso wie Sarah, die ihr Unterkleid überstreifte.
    »Habt ihr es je mit einer Regression versucht?«, erkundigte sich du Gard nach einer Weile.
    »Du meinst mit Hypnose?«, fragte Sarah in Erinnerung an du Gards Ausführungen in der Anstalt von St. James.
    »Oui. Bisweilen ist sie das geeignete Werkzeug, um verschüttete Erinnerungen zurück ans Licht zu bringen.«
    »Nein, niemals.« Sarah schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, haben weder mein Vater noch ich je besonders viel von diesen Dingen gehalten.«
    »Ich glaube, da irrst du dich.« Du Gard lächelte nachsichtig. »Dein Vater besitzt einen wachen Geist, der sich dem Übernatürlichen niemals verschließen würde. Und du selbst bist ihm weit näher, als du es jemals zugeben würdest.«
    »Und du glaubst«, fragte Sarah ohne zu widersprechen, »dass eine Regression mir helfen könnte?«
    »Wir könnten sie dazu benutzen, in die Tage deiner Kindheit zurückzukehren. Die Erinnerungen daran sind noch immer vorhanden, sie wurden lediglich verschüttet. Die Regression kann dir helfen, sie wieder freizulegen, allerdings ist es dazu notwendig, dass die Versuchsperson dem Hypnotiseur voll und ganz vertraut.« Du Gards Blick wurde prüfend, und seine Stimme nahm einen eigenartigen Klang an, als er fragte: »Vertraust du mir, Sarah Kincaid?«
    »Stellst du mir diese Frage im Ernst?«, erkundigte sie sich verwundert. »Nachdem wir … all diese Dinge zusammen getan haben?«
    »Es war sehr schön, aber Vertrauen ist dafür keine notwendige Voraussetzung«, wandte du Gard ein. »Du musst dich fragen, Sarah, ob du die Wahrheit wirklich wissen willst. Ob du erfahren willst, was in deiner frühen Kindheit geschehen ist.«
    »Warum sollte ich es nicht erfahren wollen?«
    »Vielleicht, weil es einen Grund dafür gibt, dass all diese Erinnerungen verloren gegangen sind.«
    »Einen Grund? Was für einen Grund?«
    »Ich weiß es nicht, Sarah – aber es gibt einen Weg, es herauszufinden.«
    Sarah schürzte die Lippen.
    Ihr Leben lang hatte sie sich gewünscht, ihre Erinnerungen zurückzubekommen und den Schleier des Vergessens zu lüften – nun jedoch, da sich vielleicht die Möglichkeit dazu bot, befielen sie tatsächlich Zweifel. Hatte du Gard am Ende recht? War es besser, der Dunkelzeit ihre Rätsel zu belassen, statt sie ihr zu entlocken?
    Unsinn!
    Das Fieber und nichts anderes war der Grund dafür, dass Sarahs Erinnerungsvermögen blockiert war, und was immer nötig war, um ihre verlorene Kindheit zurückzugewinnen, das wollte sie tun.
    »Ich bin dazu bereit«, erklärte sie entschlossen.
    »Tu es sûre?«
    »Allerdings.« Sie nickte entschieden. »Weißt du, wie es sich anfühlt, seine Wurzeln nicht zu kennen? Nicht wirklich zu wissen, woher man kommt?«
    »Non.« Er schüttelte den Kopf.
    »Sich selbst nur über die Erinnerungen eines anderen zu kennen ist seltsam«, erklärte sie. »Bisweilen habe ich das Gefühl, nur ein halber Mensch zu sein, weil ich auf jemanden angewiesen bin, der meine Erinnerungen für mich aufbewahrt …«
    »Dein Vater.«
    »In der Tat.« Sie schluckte hörbar. »Vielleicht«, fügte sie leise hinzu, »ist dies der Grund dafür, dass ich mich ihm so verbunden

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