Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
ein mit Efeu überwachsener Thron und ein Holzsoldat. Er verbeugte sich.
»Darf ich vorstellen: Seine Hoheit Graf Thamos vom Tal der Holzfäller, Marschall der Holzsoldaten, Bruder des Herzogs Rhinebeck von Angiers und Gebieter über alle Länder und Menschen zwischen dem Angiersfluss und der Südgrenze.«
Thamos blickte Arlen an und nickte ihm fast unmerklich zu. Renna kannte sich mit höfischen Manieren nicht aus, aber sie merkte es, wenn jemand herablassend behandelt wurde. Sie lächelte und freute sich schon darauf, wie Arlen den Adligen zurechtstutzen würde.
Doch zu ihrer Verwunderung machte Arlen eine tiefe Verbeugung. »Graf Thamos«, sagte er so laut, dass alle es hören konnten. »Ich danke Euch, dass Ihr den Flüchtlingen, die auf Eurem Land Not leiden, Hilfe und Schutz gebracht habt. Ihr erweist dem Tal eine Ehre, wenn Ihr den Holzfällern in der Nacht beisteht.«
Thamos’ Augen wurden schmal, als frage er sich, ob diese Ansprache einen Haken hätte, aber Arlen verneigte sich ein zweites Mal. »Wir wurden einander nie ordentlich vorgestellt«, sagte er und ließ den Blick über Darsy, die Metzgers und den Rest der Menge wandern. »Im Grunde kennt niemand von euch meinen richtigen Namen. Nun, ich bin Arlen Strohballen aus Tibbets Bach.«
Bei diesen Worten senkte sich Stille über die Menge. Renna schaute in die Runde und sah, dass alle den Atem anhielten und gespannt darauf warteten, was Arlen als Nächstes sagen würde.
Aber die Stille dauerte nur ein paar Sekunden an, obwohl es ihr viel länger vorkam. Dann fingen alle gleichzeitig an zu sprechen, und der Lärm war so groß, dass man die Worte Einzelner nicht heraushören konnte. Sogar die in Reih und Glied stehenden Holzsoldaten begannen zu reden.
Thamos warf Dug Metzger einen Blick zu, der sich umdrehte und sich an die Menge wandte. »Seid still!«, donnerte er, den Krach übertönend. »Das hier ist keine Jongleurvorstellung!« Sofort reduzierte sich das Stimmengewirr auf gelegentliches Gemurmel, aber Renna merkte den Leuten an, dass sich viele auf die Zunge bissen. Lange würde das nicht anhalten.
Thamos schürzte die Lippen und dachte über Arlens kleine Ansprache nach. »Tibbets Bach«, knurrte er. »Dann bist du also ein Milneser. Euchor verpflichtet.« Er spuckte den Namen aus, als sei er Gift.
Arlen zuckte mit den Schultern. »Laut den Linien auf einer Landkarte mag das so sein, aber die Wahrheit ist, dass Euchor sich nie um Tibbets Bach gekümmert hat, und den Menschen, die dort wohnen, ist Euchor völlig gleichgültig. Ich wurde in Tibbets Bach groß, ay, aber ich bin mein eigener Herr.« Er wich dem Blick des Grafen nicht aus. »Euchor hat mir genauso wenig zu befehlen wie Ihr.«
Thamos’ Augen wurden schmal, und sie starrten einander an. Der Graf hatte in der Schlacht mehrere Dämonen getötet, und er und sein Harnisch erstrahlten in Horcmagie. Renna konnte sehen, dass der Lichtschein, der ihn umgab, im Takt seiner Atemzüge pulsierte, und sie wusste, dass der Graf übermenschlich schnell sein würde. Unglaublich stark. Und dass die Magie ihn zu einem Angriff reizte.
Sie hätte besorgt sein können, doch trotz seiner überragenden Kraft stand der Graf immer noch Arlen Strohballen gegenüber. Die Tätowierungen auf dessen Haut funkelten jetzt in einem hellen Glanz. Renna wusste nicht, ob Arlen das absichtlich einsetzte, aber die Wirkung, die er dadurch auf die Menge erzielte, war klar. Viele der Holzfäller bewegten murmelnd ihre Lippen und zeichneten Siegel in die Luft.
Der Graf und Arlen posierten voreinander wie zwei Hunde, die einer Hündin imponieren wollen, aber Arlen hatte die größeren Zähne und die Loyalität des Rudels. Überall festigten Holzfäller den Griff um ihre Werkzeuge, und unter den Holzsoldaten machte sich Nervosität breit.
Arlen ließ die angespannte Stimmung kalt, und er beendete das Wettstarren mit einem entwaffnenden Lächeln. Er wandte sich an Renna, verbeugte sich und deutete mit einer eingeübten, eleganten Handbewegung auf sie. Auch wenn er zumeist keine geschliffenen Manieren an den Tag legte, so stand doch eindeutig fest, dass er sie beherrschte.
»Ich bitte um Vergebung, weil ich meine Gefährtin noch nicht vorgestellt habe«, sagte er. »Das ist Renna Gerber, die ebenfalls aus Tibbets Bach stammt.« Er richtete sich wieder auf und blickte über Thamos’ Kopf hinweg auf die Holzfäller, die sie umringten. »Und sie ist meine Anverlobte.«
Wieder sah Renna, wie die Leute vor Verblüffung den
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