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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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Lippen formten unaufhörlich ein lautloses »Brone, Brone«. So viele Jahre hatte sie durchgehalten, sie konnte ihn doch nicht ausgerechnet jetzt im Stich lassen, wo sie das erste Mal die Chance sah, ihn zu befreien!
    Die Tür zur vierten Ebene war geschlossen. Aurnia presste ihr Ohr an das Holz, konnte aber kein Geräusch hören. Obwohl sie froh war, weder Schreie noch Stöhnen aushalten zu müssen, fragte sie sich, was das bedeuten mochte. Auch aus den Stockwerken unter ihr drang kein Laut nach oben. Ein eisiger Schreck durchzuckte sie. Hatte man womöglich alle Gefangenen umgebracht? Dieser Gedanke ließ ihre Knie weich werden und sie lehnte sich gegen die Wand. Es wäre nur folgerichtig, alle Zeugen für das eigene fürchterliche Tun zu töten, wenn die Möglichkeit bestand, dass der Feind die Oberhand gewinnen könnte. Sie war sicher, dass der Erwählte in diesen Bahnen denken würde, das entsprach ihm. Wann aber würde er ein Pfand aus der Hand geben, das er unter Umständen noch gebrauchen konnte? Vermutlich erst im letzten Moment, und das gab ihr die Hoffnung, dass Brone noch am Leben war. Vielleicht überschätzte sie ihre eigene Bedeutung, aber seit sie ihn kannte, hatte der Erwählte seine Macht mit taktischen Winkelzügen ausgebaut. Oft genug hatte sie den Eindruck, er war ein Spieler, der alle Menschen um sich herum einsetzte und bewegte wie Figuren in einem Brettspiel, dessen Regeln er aufgestellt, aber niemandem verraten hatte. Aurnia war plötzlich verärgert über sich. Sie durfte keine Zeit vergeuden mit solchen Überlegungen. Wie lange stand sie nun schon hier? Sie musste weiter, die Tür öffnen und nachsehen.
    Langsam drückte sie die schwere Klinke nach unten. Das Schloss war nicht verriegelt! Beinahe hätte sie vor Freude geschrien. Ihre Anspannung wuchs und drängte die Schwäche, die sie vorhin so unerwartet überfallen hatte, in den Hintergrund. Das war gut, sie musste jetzt alle Sinne beisammen haben. Vorsichtig öffnete sie die Tür ein winziges bisschen. Sie war erleichtert, dass die Scharniere nicht quietschten und knarrten. Als sie durch den Spalt lugte, schlug ihr Herz schneller. Ganz in der Nähe saß ein Mann an einem kleinen, grob gezimmerten Tisch vor einem Krug. Mit einem Messer schnitt er Streifen von einem Stück Schinken ab, seine Lippen und sein Kinn glänzten vor Fett. Aurnia fragte sich empört, wie man an einem solchen Ort essen konnte! Aber die Flammenkrieger hatten längst jede Menschlichkeit verloren. Sie beobachtete ihn eine Weile. Er schien allein zu sein. Fieberhaft überlegte sie einen Plan. Das Einzige, was ihr einfiel, war nicht besonders ausgefeilt oder sehr vielversprechend, aber sie musste es versuchen. Der Mann legte Fleisch und Messer weg und nahm einen kräftigen Zug aus dem Tonkrug. Aurnia erkannte sofort den günstigen Moment und handelte. Schwungvoll stieß sie die Tür auf und ging mit wahrhaft königlichem Schritt auf den verdutzten Flammenkrieger zu, der sich bei ihrem Anblick verschluckte. Hustend rang er nach Luft. Ohne darauf zu achten, fuhr sie ihn von oben herab an: »Bringt mir den Krüppel aus Creig!«
    »Was … was …«, krächzte der Soldat und glotzte überrascht. Es war deutlich, dass er sie nicht erkannte. Aber ihre herrische Art verunsicherte ihn.
    »Seid Ihr taub?« Aurnia spürte, dass sie an Boden verlor. Misstrauen zeigte sich im Gesicht des Mannes.
    »Ich habe für diesen Gefangenen keine solche Anweisung erhalten!«, sagte er.
    Sie beugte sich vor und zischte: »Der Erwählte wird Euch die Haut persönlich abziehen!« Dann richtete sie sich wieder auf und drehte sich ein wenig, als wolle sie zu jemandem draußen auf der Treppe sprechen. »Mórtas, hole sofort den Erwählten, damit ich endlich den versprochenen Maler bekomme!« Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Flammenkrieger die offene Tür anstarrte. Sie wartete nicht auf ein Zeichen, ob er nun wirklich überzeugt war, dass draußen jemand stand, sondern griff blitzschnell nach dem Krug und zerschmetterte ihn auf seinem Schädel. Wider Erwarten fiel er nicht um. Er schwankte, blieb aber aufrecht. Bevor Aurnia noch etwas tun konnte, hatte er sie vorne am Kleid gepackt und zog sie zu sich herunter. Obwohl es sie vor dem Geruch nach vergorener Ziegenmilch ekelte, wehrte sie sich nicht, denn sie hatte das Messer im Blick, das immer noch auf dem Tisch lag. Blitzschnell griff sie danach, während sie sich fallen ließ. Als sie auf ihn prallte, schlang sie einen Arm um ihn wie eine

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