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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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ähnlich gewesen, vor allem was die Ansicht über Dämonen betraf. Unzählige Male hatte sich Dídean auf die Zunge beißen müssen, um dem Erwählten nicht die Meinung zu sagen. Aber das wäre ihrer Aufgabe nicht dienlich gewesen. »Ach, sollen ihn doch die Dämonen holen!«, murmelte sie und erneut nistete sich ein Lächeln in ihren Mundwinkeln ein.
    Die letzten Türen der Zimmer zum Innenhof standen zu Dídeans Überraschung offen, im Vorbeilaufen fiel ihr Blick unwillkürlich hinein. In diesen Räumen war die Verwüstung, wie sie vermutet hatte, tatsächlich nicht ganz so groß. Trotzdem lagen Gegenstände auf dem Boden verstreut, doch eher als hätte jemand in größter Eile Truhen und Schränke geleert. Sie hielt einen Augenblick inne. Die Fenster waren noch heil. Irgendetwas stimmte hier nicht. Als sie ihre Sinne auf die Umgebung richtete, konnte sie die Gegenwart einer Person spüren, die sich offensichtlich bemühte leise zu sein, als wollte sie bei ihrem Tun nicht entdeckt werden. Dídean zögerte weiterzugehen. Sollte sie nachsehen? Viel hing davon ab, dass sie jederzeit wusste, was im Palast alles geschah. Nein, der Prinz war wichtiger und vielleicht in Gefahr. Ihr Herz schlug schneller bei diesem Gedanken. Zum Glück hatte sie den Quergang fast erreicht, der sie zur Wendeltreppe des Ostturmes führte, in dessen Spitze sich das Reich ihres Schützlings befand. Hastig bog sie um die Ecke und stieß mit einem Priester zusammen. Der Aufprall war so heftig, dass der Mann einen Beutel fallen ließ. Mit lautem Klirren traf dieser auf dem Steinboden auf, einige Ringe und Münzen rollten daraus hervor.
    »Sieh mal einer an!«, sagte Dídean, die sich rascher gefasst hatte. »Habt ihr immer noch nicht genug Reichtümer aus den Taschen der Menschen gezogen? Geht es dem Erwählten etwa derartig schlecht, dass er euch zu ganz gewöhnlichem Diebstahl ausschickt?« Diesmal hatte sie sich nicht rechtzeitig zusammengerissen. Für solche Bemerkungen würde sie der Ketzerei angeklagt werden, so viel war sicher.
    Der Priester starrte sie an. Doch dann kam Leben in ihn. Dídean machte eine schnelle Drehung, als er sich auf sie stürzte. Sie wunderte sich nicht, dass er ihre Geschwindigkeit vollkommen unterschätzte und ihr für einen Augenblick seinen ungeschützten Rücken als Angriffsfläche bot. In einer einzigen fließenden Bewegung zog sie einen ungewöhnlichen Dolch aus dem Ärmel, holte aus und stach blitzartig zu, ergriff das Haar des Priesters, als der Schmerz ihn sich aufbäumen ließ und schnitt ihm die Kehle durch, um ihn sofort mit Schwung zu sich herumzudrehen. Blut sprudelte über ihr Gewand und der erstaunte Ausdruck im Gesicht des Opfers wich langsam einem glasigen Blick, bis der Mann schließlich in sich zusammensackte. Dídean schob den Dolch an seinen Platz und rannte schnell zurück in eines der Zimmer, um eine Decke zu holen. Sorgfältig wickelte sie den Toten darin ein. Wie durch ein Wunder war kein Blut auf dem Steinboden zu sehen, nur die beiden Gewänder waren über und über besudelt. Sobald sie die Leiche versteckt hatte, würde sie sich umziehen müssen. Sie überlegte, was sie mit dem Diebesgut machen sollte. Sie hätte es gerne den Besitzern wieder in die Gemächer gelegt, aber das war unmöglich, da sie nicht wusste, wem die einzelnen Gegenstände gehörten. Also steckte sie den Beutel ein, hievte den Toten auf ihre Schulter und geriet dabei nicht einen Augenblick ins Schwanken. Dídean sah sich noch einmal um, ob auch wirklich nirgends verräterisches Blut zu sehen war, und ging dann leichten Schrittes zur Wendeltreppe, als trüge sie einen Sack Stroh auf den Schultern. Doch sie folgte der Treppe nach unten statt wie geplant nach oben, schließlich musste sie zuerst eine Leiche entsorgen.
    Etwa zur gleichen Zeit stand der junge Prinz Dallachar schreckerstarrt in der offenen Tür, die schräg in ihrem Rahmen hing, und betrachtete die Überreste seines Zimmers. Der Sturm hatte auch hier die Fenster zerschlagen und alles durcheinandergewirbelt. Was seine Wucht nicht zerbrochen hatte, war vom Regen unbarmherzig durchweicht. Dallachar machte einige zaghafte Schritte in den Raum hinein und blieb dann unschlüssig stehen. Es konnte nicht sein, dass das Bild heil geblieben war, doch Hoffnung trieb ihn schließlich vorwärts. Glas splitterte unter seinen Füßen und er stieß sich den kleinen Zeh an der scharfen Kante des umgestürzten Tisches. Aber er nahm es nicht wahr, ebenso wenig dass er sich die

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