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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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Zeit gehabt hatten, Jacken oder Decken aus ihren Zimmern mitzunehmen. Sie hatte Dallachar am Arm packen und regelrecht mit sich ziehen müssen, weil er unbedingt umkehren wollte, um etwas aus seiner Truhe zu holen. Er weigerte sich zu verraten, worum es sich handelte, aber es hätte ohnehin nichts genützt, sein Leben war wichtiger als jeder Gegenstand.
    »Wo ist der Prinz?«, fragte eine scharfe Stimme neben ihr.
    Dídean fuhr erschrocken herum und blickte in die kalten Augen des Erwählten. Das war eine berechtigte Frage, sah man doch Dídean kaum je ohne ihren Zögling. Sie fasste sich rasch, nicht zum ersten Mal musste sie zügig eine Ausrede finden. »In Sicherheit!«, sagte sie und fügte in Gedanken ein ›vor dir‹ hinzu. »Ich bringe ihm eine Decke, es ist kalt.«
    »Ich werde dich begleiten«, antwortete der Erwählte zu ihrem Entsetzen.
    »Es eilt«, sagte sie in einem schärferen Tonfall als beabsichtigt. »Ich glaube kaum, dass es der Würde Eures Amtes angemessen ist, wenn Ihr mit mir über den Hof und die Treppen hinaufrennt. Verzeiht, ich muss jetzt gehen, sonst wird er noch krank!« Wie von Furien gehetzt sprintete sie los, darauf wartend, dass er ihr Einhalt gebieten würde. Doch seltsamerweise ließ er sie ziehen.
    Der große Hof war voller zerborstener Dachziegel, Glasscherben und anderer Trümmer. Ein totes Pferd lag mit einer klaffenden Wunde am Schädel neben dem Brunnen, sein Reiter saß reglos neben ihm, den Kopf gesenkt. Menschen irrten suchend umher, andere begannen bereits aufzuräumen und die Schäden zu reparieren. Ein verstörtes Huhn flatterte zwischen ihren Beinen hindurch und brachte manchen zu Fall. Beinahe sämtliche Fenster des Palastes waren kaputt, Vorhänge wehten in Fetzen. Alles sah verändert aus, und während sie so schnell wie möglich den Platz überquerte, fragte sich Dídean, welche Zerstörungen die Stadt erlitten haben mochte. Die schweren Türen am Eingang in das Hauptgebäude standen offen, aber drinnen war alles ruhig und niemand zu sehen. Die Halle versank im Wasser und auch die Stufen waren nass. Vermutlich war der Regen durch die zerbrochenen Scheiben in die oberen Räume eingedrungen und über das Treppenhaus wieder abgeflossen. Sie wagte nicht sich vorzustellen, wie die Zimmer aussahen, im Moment hatte sie sowieso ganz andere Sorgen. Das einzig Gute an dem Durcheinander war, dass die Handwerker in der Stadt in den nächsten Wochen ausreichend verdienen würden, um ihre Familien zu ernähren. Es war ihnen die letzten Jahre schlecht genug ergangen, viele Menschen litten Hunger. Der königliche Schatzmeister konnte ruhig etwas von seinem gehorteten Gold unters Volk bringen.
    Im zweiten Stockwerk herrschte dieselbe Stille wie im ersten. Offensichtlich waren alle in die Keller unter den Stallungen geflüchtet und noch nicht ins Gebäude zurückgekehrt. Sie bog nach rechts ab und ging den langen Flur entlang zum Nordflügel. Aus alter Gewohnheit versuchte sie kein Geräusch zu verursachen, obwohl sie hier allein war. Manche Türen der Zimmer, die auf den großen Vorplatz hinausgingen, waren aus den Angeln gerissen, und sie konnte sehen, wie der Sturm darin gewütet hatte. Die gegenüber liegenden Räume waren alle verschlossen. Vermutlich hatte der geschützte kleine Innenhof keine Angriffsfläche für den Sturm geboten. An einigen Stellen musste sie über Stoffhaufen steigen. Die Wandbehänge waren durch den Wind, der in den langen Korridoren wenig Widerstand fand, heruntergerissen worden. Kostbare Bilder lagen auf dem Boden in Pfützen, die sich an den vielen ausgetretenen Stellen gebildet hatten.
    Schade, dachte Dídean, die kunstvoll bestickten Gobelins, die der tristen Umgebung Farbe geschenkt und so etwas wie Leben eingehaucht hatten, würden wohl kaum noch zu retten sein. Wieder einmal war uralte Kunst unwiederbringlich verloren, denn Seide wurde auf der Insel schon lange nicht mehr hergestellt. Die letzten Maulbeerbäume, die den Seidenraupen als Futter dienten, waren schon vor Jahrhunderten eingegangen, bald nach dem Verschwinden der Sonne. Dídean musste lächeln. Wer von der Priesterschaft hätte vermutet, dass Sonne und Seide so eng miteinander verbunden sind! Aber die Jalluthiner hatten so manches nicht bedacht bei ihrer gnadenlosen Hatz, vermutlich waren sie bis heute nicht in der Lage, die Zusammenhänge zu erkennen. Ob es jemals einen Erwählten geben würde, der wirklich mit Weisheit gesegnet war? Bis jetzt waren sie sich alle bemerkenswert

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