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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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vorgesehen hatte. Die Priesterschaft hatte mit kostbaren Schnitzereien verzierte Stühle für sich selbst im Zentrum aufgestellt. Wiederum in deren Mitte führte eine Treppe nach unten. Dort war Aurnia noch niemals gewesen, sie wusste nur, dass man in einem Schrein einen Teil der Schriftrollen Jalluths aufbewahrte und es gab wohl auch einen Zugang zu unterirdischen Vorratsräumen. Sie fragte sich, was sie in den Kellern sollte, denn bisher hatte sie den Erwählten noch nirgends gesehen. Sie gingen auf eine eiserne Tür in einer der Nischen zu und hindurch. Es folgten Keller und die Stufen einer Wendeltreppe. Immer weiter ging es hinab und Aurnias Angst wurde größer. Was erwartete sie? Je tiefer sie kamen, desto stärker wehte ihnen ein unangenehmer Geruch entgegen, der Aurnia Übelkeit verursachte. Ein Würgen quälte sie, und sie musste sich mit aller Kraft zusammenreißen, um sich nicht zu übergeben. Sie waren jetzt bereits drei Stockwerke weiter unten, wie sie an den Türen und Gängen abzählen konnte, die sie passiert hatten. Aurnia fragte sich, wie tief es hier in den Fels hinabging. Sie wusste zwar, dass die Flammenkrieger einen Kerker besaßen, aber sie hatte sich nie darum gekümmert, wo genau sich dieser befand. Was für eine Ironie, dass der Zugang ausgerechnet im Herzen des Heiligtums begann!
    Schon bevor sie die vierte Ebene erreicht hatten, war Aurnia auf das Schlimmste gefasst. Stöhnen und Schreie, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen, drangen an ihr Ohr. Was ging hier vor? Ein Stockwerk tiefer sollte sie es erfahren.
    Die Flammenkrieger führten sie durch eine Tür in einen Gang, von dem weitere Quergänge abzweigten. Hier waren die Türen aus Gitterstäben und man konnte das Innere der Räume sehen. Zuerst weigerte sich Aurnias Verstand zu glauben, was ihre Augen erblickten. Sie schwankte und ließ es zu, dass die Männer sie zu beiden Seiten an den Armen hielten, um sie zu stützen. Unerbittlich wurde sie weitergezogen, an blutigen, verstümmelten, zu Brei geschlagenen Körpern vorbei. Sie sah faulende Wunden, verbrannte Haut, Menschen, deren Gliedmaßen blutverkrustete Stümpfe waren und die in ihren eigenen Exkrementen lagen. Sie sah die gleichgültigen Gesichter der Wärter, die sich in Fratzen verwandelten, von ihren Pranken tropfte Blut, und sie wusste, sie war im tiefsten Abgrund gelandet, dort, wo es keine Menschlichkeit mehr gab. Sie sah die zerstörten Wesen auf dem Boden, die Gesichter voller Angst und Elend.
    Es sind Dämonen!, versuchte sie sich zu sagen. Aber etwas in ihr schrie: »Menschen, es sind Menschen!« Ja, es sind Menschen, dachte Aurnia, auch wenn es kaum noch zu erkennen war. Die Dämonen waren vor den Gittern und nicht dahinter. Es gelang ihr nicht, wegzuschauen. Dorchadas, flüsterte es unaufhörlich in ihrem Kopf. Das Wort bedeutete eigentlich nur Dunkelheit, aber Jalluths Priester benutzten es oft als Name für die Hölle. Vielleicht glaubten sie, dadurch würden ihre Flammen umso heller leuchten. So also ist sie, ihre Hölle, mit der sie uns immer drohen, und sie ist tief im Bauch des Heiligtums versteckt, dachte sie, seltsam losgelöst von allen Gefühlen, fast erstaunt.
    Vor einem der Räume blieben sie schließlich stehen. Aurnia merkte nicht, dass sie losgelassen wurde und die Flammenkrieger sich entfernten. Vor ihr saß ein Gefangener, dessen Augenhöhlen leer waren, auf dem Boden seiner Zelle. Der Rest des Gesichts war unversehrt und Aurnia erkannte die schreckliche Wahrheit: Brone war nicht entkommen! Ein nie gekannter Schmerz breitete sich in ihr aus, während sie den verstümmelten Mann zu ihren Füßen sah. Jetzt erst fielen ihr seine Hände auf. Sie waren nur noch blutige Klumpen, nie wieder könnten sie Stift oder Feder halten. Sie wollte zu ihm, ihn halten, herausholen aus diesem, diesem … Dann fehlten ihr sogar die Worte und sie erstarrte, ihr Innerstes wurde zu Eis.
    Sie wusste nicht, wie lange sie so verharrte, mühsam um jeden Atemzug ringend. Eine Stimme drang durch grelle wirbelnde Wolken in Aurnias Bewusstsein, eine Stimme, die ihren Namen sagte. Brone hatte den Kopf schräg gelegt und lauschte. Nein, es war nicht er gewesen, der zu ihr sprach. Plötzlich wusste sie, wem sie gehörte, und dieses Wissen schleuderte sie zurück in die Wirklichkeit. Mit grausamer Klarheit begriff sie, wo sie sich befand und warum ihr all das gezeigt worden war. Es gab nur einen, der für solch unmenschliche Taten verantwortlich war: der Erwählte! Sie

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