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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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Thronsaal zu gehen, dem Erwählten zu begegnen und so zu tun, als wäre nichts geschehen. Sie wollte im Gegenteil schreien, die Menschen aufrütteln, das Unrecht endlich wahrzunehmen, das hier mitten unter ihnen geschah. Es ging längst um mehr als nur um Brone, auch das Schicksal der anderen Gefangenen, das grausame Verlies, hatte sie zutiefst erschüttert. Hatte sie bisher trotz sämtlicher Vorbehalte gegen die Priesterschaft nie an der Existenz Jalluths gezweifelt, dort unten in den Kerkern verlor sie ihren Glauben – ein für alle Mal. Aber sie wusste, dass sie gegen den Erwählten nichts ausrichten konnte. Er besaß die Macht über Leben und Tod, auch über den ihren und der würde niemandem etwas nützen. Nein, sie musste eine Lösung finden, das Volk aus seinem Spinnennetz zu befreien, bevor er ihnen allen das Leben ausgesaugt hatte, und sich an der Hoffnung festklammern, dass ihr das möglich war, auch wenn sie meinte, über ihren Erinnerungen den Verstand zu verlieren.
    Aurnia ging zu ihrem Tisch und zog den Handspiegel aus der Schublade. Sie wollte sich vergewissern, dass sie nicht zu einem Geist geworden war. Weit geöffnete Augen starrten sie aus einem wachsbleichen Gesicht an.
    »Du musst leben!«, flüsterte sie. Und immer wieder: »Du musst leben!« Sie ließ den Spiegel sinken, ihr Blick fiel auf ein Hemd über der Stuhllehne. Das Hemd für den Sohn, bestickt auf Geheiß des Erwählten! Morgen war Dallachars Geburtstag. Sie sollte einen Weg finden, sich dem zu stellen und den Erwählten im Glauben lassen, dass er gewonnen hatte! Ihre Fingernägel gruben sich schmerzhaft in die Handflächen. Sie würde nicht aufgeben!

    Lange hatte Glic geglaubt, sich im Nebel verirrt zu haben. Aodh hatte ihm geraten sich der Stadt von Südosten her zu nähern. Dort war der Grund moorig und einzig zu Fuß halbwegs sicher zu überqueren, deshalb wurde er von Jalluths Häschern auf ihren Pferden gemieden. Wie im Wald hatte Glic auch hier das Gefühl, schon seit Tagen im Kreis zu gehen, obwohl er erst im Morgengrauen angekommen war. So groß konnte das Moor doch nicht sein! Er kam jetzt nur noch vorwärts, indem er von Grasbüschel zu Grasbüschel sprang, sonst würde er im Morast dazwischen versinken, und er fand es immer anstrengender. Diese winzig kleinen Inseln schwankten unter seinem Gewicht und oft genug wankte er selbst gefährlich. Was für eine seltsame Landschaft! Hätte er nicht so einen guten Gleichgewichtssinn, wäre er vermutlich längst gefallen und versunken. Dass sich hier einmal ein wunderschöner, klarer See befunden hatte, konnte er sich kaum vorstellen. Der Schmied hatte erzählt, dass mit den Dämonen auch das Gewässer verschwunden war. Die Menschen glaubten deshalb an Magie und böse Geister an diesem Ort. Das konnte Glic nur recht sein, sonst müsste er zusätzlich nach Wanderern Ausschau halten, um ihnen rechtzeitig aus dem Weg zu gehen. Inzwischen sehnte er sich allerdings nach festem Grund und hätte dafür sogar die Menschen in Kauf genommen. Außerdem hatte er genug von dem grässlichen fauligen Geruch, der aus dem Sumpf stieg. Seine größte Angst aber war, hier übernachten zu müssen. Nicht einmal er als Halbdämon konnte im Stehen schlafen und zum Liegen waren die Grasbüschel zu klein. Ob er im Dunkeln überhaupt etwas erkennen konnte, darüber wollte er gar nicht nachdenken! Wenigstens verzog sich der Nebel langsam. Schon seit einiger Zeit waren merkwürdige Geräusche an sein Ohr gedrungen. Jetzt hörte es sich beinahe an wie die Schreie unbekannter Vögel, und ein Rauschen war da. Ein mächtiges Rauschen!
    »Was ist das? Sollen wir die Richtung ändern?«, fragte er die Dohle, die auf einer der Grasinseln in der Nähe gelandet war. Der Vogel hatte sich unterwegs als kluger Warner vor Gefahren erwiesen. Mehr als einmal konnte Glic den Reitern Jalluths rechtzeitig ausweichen, bevor er in diesem Morast endlich sicher vor den Ungeheuern war. Mit einem Krächzen stieg die Dohle wieder auf und flog geradewegs auf das Rauschen zu. Es schien also ungefährlich zu sein. Beruhigt folgte Glic dem Tier. Nach einer Weile fiel ihm auf, dass der Geruch sich geändert hatte, und eine kräftige Brise wehte ihm um die Ohren und zerzauste sein Haar. Es war, als würde sie ihm neue Kräfte verleihen, denn er kam jetzt viel besser voran.
    Die letzten Nebelfetzen verflogen, vor Glic tat sich ein Abgrund auf und darunter konnte er eine graue Ebene sehen. Neugierig trat er an den felsigen Rand und gleich

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