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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyne Okonnek
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eigenes Volk für unvollkommen. In der ersten Zeile der fünften Prophezeiung heißt es: »Schande webt Tugend ihr Kleid …« Natürlich bezieht keiner der Dämonen die erwähnte Schande auf die eigenen Leute und ganz selbstverständlich sind für sie mit den restlichen Sätzen »… Sieg ist ein offener Sarg. Maulwürfe irren im Regen umher und brennen wird ihr Blut.« die Menschen gemeint. Da bin ich mir nicht so sicher! Schließlich leben die Dämonen seit dreihundert Jahren unter der Erde, und es sind ihre Nachkommen, die verbrannt werden! Abgesehen von der Frage, ob Aithreos Plan vertretbar ist. Darüber kann man trefflich streiten! Aber es sieht so aus, als wäre ich der Einzige, der sich mit Zweifeln plagt, wie weit man gehen darf, Unschuldige für die eigenen Zwecke zu benutzen oder gar zu missbrauchen, sei es noch so gerechtfertigt. Kann man ein einzelnes Leben gegen das eines ganzen Volkes aufrechnen?
    Niemand mag sich außerdem daran erinnern, dass Maidins Worte oft genug doppeldeutig waren, auch wenn sie einfach klangen. Es wird angenommen, dass mit dem Mantel der Seidenmantel des Erwählten gemeint ist. Natürlich gewannen die Erwählten einer nach dem anderen im Laufe der Jahrhunderte immer mehr an Einfluss. Aber ich frage mich, was dieses »eins sind« heißen soll. Trotz aller Beeinflussung sind sich die vom Erwählten Unterdrückten völlig uneins. Nur mit offener und auch heimtückischer Gewalt kann er sie dazu bringen, nicht den gesunden Menschenverstand zu benutzen und sich aufzulehnen. Viele sind mit seiner Sicht der Dinge nicht einverstanden, nur hüten sie sich, dies jemals zu äußern, sogar ihren Nächsten gegenüber. Doch man kann es in ihren Augen lesen, wenn man den Willen hat, genau hinzusehen. Wer könnte also behaupten, die Menschen seien eins? Ich habe den Verdacht, etwas ganz anderes ist gemeint, und eines Tages wird sich erweisen, was unter dem Mantel wirklich versteckt ist. Es wird sich zeigen, ob diese Erkenntnis unseren Untergang herbeiführt.
    Ich spüre, wie ich immer weniger Hoffnung für mich empfinden kann. Mehr als einmal dachte ich darüber nach, einfach aufzugeben. Dann kam ich mir wieder vor wie ein kleines Kind, das sich für wichtiger hält als alle anderen. Selbst wenn es mein eigenes Ende zur Folge hat, muss ich meine Aufgabe erfüllen, und wenn nur einer aus unserem Volk überlebt! Das sage ich mir unermüdlich, um die Schatten zu verscheuchen, die rings um mich aufragen. Die Angst vertreibt es nicht.
    Cathair-lonrach,
die 113902. Nacht seit dem Untergang der Sonne
    An Aurnias schmerzverzerrtem Gesicht sah Dervla, dass sie vorsichtiger sein musste. Zu ihrer Verwunderung sagte die Königin keinen Ton. Was doch ein wenig Sorge alles bewirkte! Früher hätte sie die Zofe gehörig zurechtgewiesen. Dervla genoss ihre neu gewonnene Macht, selbst wenn Aurnia ein großer Teil davon verborgen blieb. Die nächsten Strähnen würde Dervla behutsamer ausbürsten, alles andere hing von Aurnias weiterem Verhalten ab. Erste graue Haare hatten sich unter die goldene Pracht gemischt, was das Mädchen mit Befriedigung sah. Noch etwas, das sie der anderen voraushatte! Ihr eigenes Haar besaß zwar nicht diesen wunderschönen Goldton, sondern war nur ein gewöhnliches stumpfes Blond, dafür zeigte es keine Spur von Weiß! Aber dieses Wissen linderte kaum den Schmerz des giftigen Stachels, verschmäht worden zu sein. Nie hatte jemand mehr geliebt als Dervla und alles hätte sie für ihn getan. Doch der Maler würdigte sie keines Blickes! Er hatte nur Augen für dieses eitle, alte Weib, das alles besaß, aber nie genug hatte. Warum musste Aurnia auch noch Brones Herz stehlen, bloß um über einen Bewunderer mehr zu verfügen? Seit sie an der Macht war, saugte sie das Volk aus und die Menschen hungerten für ihr Vergnügen. Dervla hasste den Anblick der überfüllten, mit Silber und Gold gedeckten königlichen Tafel, während in den ärmlichen Häusern der Stadt Kinder vor leeren Schüsseln saßen und hungrig zu Bett gingen. Wie oft hatte sie sich früher in den Schlaf geweint, wenn sie das Gras wieder erbrach, das ihr die Mutter in der Verzweiflung vorgesetzt hatte. Es kostete sie viel Kraft, sich die gerechte Wut nicht anmerken zu lassen. Manchmal war sie stolz auf die Fähigkeit, sich gut verstellen zu können.
    »Er hat wirklich nichts gesagt?«, wollte Aurnia zum hundertsten Mal wissen.
    »Nein, ich hatte doch den Finger auf den Mund gelegt, als er die Tür öffnete, und bin sofort

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