Die Flammen von Lindisfarne
ist das Leben bei uns in Norwegen zwar rau und hart, aber nicht unbedingt schlecht!“
„Werden sie...werden sie uns wieder nehmen, wie sie es im Kloster taten?“ fragte Keri stockend.
„War es denn so schlimm?“ fragte Erik schmunzelnd.
„Es war schlimm, weil es mit Gewalt geschah“ antwortete Keri mit fester Stimme.
Alle nickten und gedachten der Schmerzen und Hildigard setzte hinzu: „Wenn es doch so ein stattlicher junger Krieger wie der gewesen wäre, welcher unsere Freundin Angela gefangen hat. Da hätte es nach einer Weile vielleicht Freude gemacht.“
„Nun, ich denke, in Ringan werden einige junge Krieger zurück geblieben sein, die euch vielleicht gefallen“. lachte Erik. „Und wenn ihr hübsch brav seid und ihnen schöne Augen macht, verliebt sich der eine oder andere in euch und kauft euch für sein Haus.“
„Und dann heiratet er uns?“ fragte Viviane gespannt.
„Da müsst ihr euch aber anstrengen, einen Wikinger dazu zu bringen, euch in Friggas Kreis zu führen“ gab der ehemalige Mönch schmunzelnd zurück. „Ehen innerhalb der Thing-Gemeinschaft werden von den Vätern abgesprochen und so gefügt, dass die Äcker und Weiden der Bauernhöfe zusammen passen.
Die Frau eines Wikingers ist die Hausfrau und Bäuerin, die alle Schlüssel für die Scheuern und die Kammern hat. Vor allem, wenn die Männer auf Fischzügen oder Beutefahrten sind, müsst ihr den Willen einer Hausherrin wie den Worten eines Gottes gehorchen.
Doch ist eine Tochter Norwegens nicht eifersüchtig, wenn der Mann seine Gelüste gelegentlich an einer hübschen Sklavin befriedigt. Sklavinnen, so wie ihr es seid. Je williger ihr seine Lust erwidert, umso besser ist dann euer Leben auf seinem Hof. Die Kinder, die ihr ihm dann gebären werdet, das werden richtige, freie Wikinger. Nur dass sie von der Erbfolge des Hofes ausgeschlossen werden, wenn ihm die Bäuerin einen oder mehrere Söhne geschenkt hat.“
„Aber das ist ja barbarisch...“, presste Hildigard hervor.
„Es ist Nordlandsitte seit Urväter-Tagen“, sagte Erik. „Es gibt Ausnahmen. Wenn ein Mann will, kann er auch eine Sklavin heiraten und damit zur freien Frau machen. Nehmt den Mann am Steuer dieses Schiffes. Nicht den jungen Krieger, den anderen mit den dunklen Haaren. Seine Mutter wurde aus Griechenland geraubt und brachte es fertig, dass Gorm Krähenfuß sie zu seiner Bäuerin machte. Leider starb sie sehr früh... aber als freie Frau... den sie hatte mit Gorm im Ring Friggas die Hände in einander gelegt... ach, die alten Zeiten...“. Damit sank er zurück in seine Felle und schlief ein.
Die Mädchen aber tuschelten und redeten über die Erzählungen Eriks. Und heimlich wagten sie es, sich vorzustellen, wie sie es am besten anstellen konnten, einen der jungen Wikinger so für sie zu interessieren, dass er sie zu seiner rechtmäßigen Frau machte.
Alles in allem wurde ihr Leben sicher interessanter, als wenn sie es hinter den kalten, seelenlosen Mauern eines Klosters verbracht hätten. Keines der Mädchen hatte aus innerer Überzeugung um Aufnahme in den Orden gebeten, sondern sie waren von ihren Familien zum geistlichen Leben bestimmt worden.
So schrecklich die Erlebnisse der letzten Tage auch waren und so entwürdigend es ihnen schien, den wilden Männern an Bord zu Willen zu sein, würden sie doch das Beste aus ihrem Schicksal machen müssen. Manchen der Mädchen war es gelungen, schon jetzt die Erlebnisse zu verdauen, und sich damit abzufinden, was ihnen bevorstand. Es musste ihnen nur gelingen, einen jungen Wikinger mit angenehmen Äußerem so um den Finger zu wickeln, dass er den britischen Liebreiz der herben Schönheit Norwegens vorzog.
Nur eine Frau, Angela, schien vorerst dieses Glück zu haben. Sie, die von allen ihren Freundinnen glühend um Lars Wolfssohn beneidet wurde, schien diesen Schicksalswink nicht zu begreifen, sondern hielt bei jedem kleinen Versuch der Berührung den jungen Wikinger spröde auf Abstand.
So strichen die Tage und Nächte der Rückfahrt dahin. Unendlicher Jubel brandete auf, als die MIDGARDSCHLANGE den kleinen Hafen von Quillerheim anlief. Sorgsam hatte man den Drachenschädel vom Bug genommen und statt dessen stand Haakon Bärensprung hochauf gerichtet mit emporgestreckten Schwert im Bug. Über die Schultern hatte er sich eins der kunstvoll bestickten, wenn auch durch Ragnars trunkenes Narrenspiel arg zerissenes Messgewand des Bischofs
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