Die Flammen von Lindisfarne
geworfen. Der kostbare Stoff bauschte sich in der steifen Brise, die das Schiff über das ruhige Wasser des Fjord gleiten ließ.
Hinter ihm dröhnte das Stierhorn, das Olaf Metkanne und Erik Lautenschläger wechselseitig bliesen. Der ehemalige Mönch hatte seine Künste im Blasen des Horns unter Anleitung des feisten Skalden wieder aufgefrischt, während er ihm dafür beibrachte, die wesentlich kompliziertere keltische Harfe zu beherrschen, die Olaf zufällig im Kloster gefunden und sicher geborgen hatte.
Das Unglück geschah, als Haakon, nachdem er seine Söhne und einige andere ältere Wikinger begrüßt hatte, seinem Weibe gegenüber trat und ihr mit großartiger Gebärde den Spiegel überreichte. Denn nun sah Ragnhild Drachenzahn zum ersten Male ihr eigenes Abbild.
Dröhnendes Gelächter der Mannen, in das sich das schrille Gelichter des Weibsvolkes mischte, klang auf, als Ragnhilds Gesicht vom kindlichen Erstaunen über Abscheu in fürchterlichen Zorn wechselte.
Mit einem Wutschrei warf sie den Spiegel zu Boden, dass zerbrach. Abrupt drehte sie sich um und stapfte, ohne ein Wort zu sagen, zurück zu ihrem Hause. Vor Zorn bebend hastete ihr Haakon nach.
Wiltrudis aber rettete die Situation. Ihr waren Spiegel bekannt. Nun hob sie die Scherben eine nach der andern auf und gab sie an die gaffenden Frauen weiter. Kopfschüttelnd stellte man fest, dass in jeder der Scherben plötzlich das eigene Gesicht auftauchte. Und nicht nur das. Da war auch das Gesicht des Eheherrn, der hinter der Frau stand und mit seinen starken Armen ihren Leib umstrickte, um Lustgefühle in ihrem Körper aufkeimen zu lassen. Schnell brachte man diese Steine aus gefrorenem Zauberwasser in die eigene Hütte und verbarg sie. Und als Ragnhild Drachenzahn ihre Hütte wieder verließ, war nicht die kleinste Spiegelscherbe mehr zu finden.
Als drei Tage später die Verteilung der gemeinsamen Beute begann, erlebte Lars Wolfssohn eine unangenehme Überraschung. Der Sitte entsprechend wurden die Sklavinnen und die größeren Beutestücke in den Kreis gebracht werden, damit der Jarl sie verteilen konnte. So stand Angela zusammen mit ihren Gefährtinnen im Beutekreis. Schon ergriff Haakon Bärensprung ihren Arm und wollte sie zu Lars als endgültigen Besitz hinüber führen, als das Unerwartete geschah.
„Die da gehört mir!“ übertönte die Stimme Thorleif Knochenbrechers die Worte seines Vaters. „Sie wird die Magd meiner künftigen Frau. Denn Thursula ist schon in mein Haus gezogen, da ihr Vater jetzt Walhalls Wonnen genießt und sie ohne Schutz ist!“
„Dieses rachsüchtige Biest“, hörte Lars Widar hinter sich murmeln. „Das hat sich diese Sachsenhexe fein ausgedacht. Sie weiß, wie sie dir weh tun kann.“
„Du denkst...“, verständnislos sah Lars den Blutsbruder an.
„Nur du Narr hast noch nicht begriffen, dass du Angela liebst und zwar so liebst wie ein Mann eine Frau zu lieben hat und nicht ein Bruder die Schwester.“ zischte Widar. „Selbst deine Mutter hat das bemerkt und sie deshalb den beiden anderen Sklavinnen vorgezogen. Sie hat schon begonnen, sie auf ihre Rolle als Schwiegertochter vorzubereiten. Hast du das denn nicht bemerkt?“
Verständnislos schüttelte Lars den Kopf.
„Natürlich hast du Holzkopf das nicht bemerkt“, schalt Widar, „Aber Thursula hat gesehen, wie du deiner Angela sehnsuchtsvoll nachblicktest, wenn sie mit dem Wassereimer zur Quelle ging.
Thursula hat sehr wohl bemerkt, dass du ihr ganz unziemlich bei Arbeiten geholfen hast, die eines freien Wikingers unwürdig sind. Du läufst einer Sklavin nach während du sie, die Tochter eines Sachsen-Fürsten, verschmäht hast, als sie dir ihren nackten Körper bot. Und jetzt rächt sich das kleine Sachsen-Biest dafür, dass du sie damals nicht einfach genommen hast um ihr zu geben, wonach ihr brünstiger Leib bebte!“
„Angela ist meine Beute, die ich mit dem Schwert erwarb“, schrie Lars und drängte sich durch die Menge, ohne Widar auf seine Worte eine Antwort zu geben. „Sie wurde mir bereits von meinem Jarl zugesprochen und lebt im Hause meines Vaters!“
„Sie wäre meine Beute gewesen, Wolfssohn, wenn ich bei der Fahrt mit dabei gewesen wäre“. gab Thorleif zurück, „Da ich jedoch nach dem Wort meines Vaters auf dieses Vergnügen verzichten musste, versprach er mir vor der Abfahrt die erste Wahl der Beute. Dieses Versprechen, das Ältere, muss er halten!“
„Er
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